London Rules
Autor | Mick Herron |
Verlag | Diogenes |
ISBN | 978-3-257-24702-2 |
„Ein [weiterer] Fall für Jackson Lamb (Slow Horses)“ mit einem feinsinnig-doppeldeutigen Titel (à la Original) auf knapp 500 Seiten. Inzwischen sind einige der Storys verfilmt und via Apple+ zu streamen…
Zeitgemäße Themen
…greift der Autor wahrhaft trefflich auf, so wie hier: Welches, behalte ich für mich, sonst wäre Spoiler-Warnung fällig … Nun, das ist bekannt: „Eine Söldnertruppe radiert ein Dorf in Derbyshire aus. Kurz darauf wird ein Pinguingehege im Londoner Zoo in die Luft gesprengt – beim Inlandsgeheimdienst MI5 herrscht Alarmstufe Rot. In Slough House dagegen gähnende Langeweile, bis Roderick Ho, Ober-Nerd der abservierten Agententruppe, nur knapp einem stümperhaft ausgeführten Attentat entgeht. Seine Kollegen eilen ihm (widerwillig) zu Hilfe und machen aus einer schwierigen Situation – das Schlimmste.“ Zu befürchten ist, dass auch dieses Mal (wie bei den früheren Fällen meist) eines der Slow Horses als (mehr oder weniger) Kollateral-Schaden auf der Strecke bleibt: Wie weit das geht- mal sehen = lesen! So oder so, die Macken dieser aufs Nebengleist abgeschobenen Mager-Geheimdienstler werden gnadenlos ausgenutzt, sei es intern, sei es extern (S. 138f. usw.). Und London Rules? Ja, der Geheimdienst hat seine eigenen Regeln, die Lamb bekanntlich zudem ignoriert – es sei denn, sie passen in sein Vorhaben: Lt. S. 92 gehört jedenfalls „Rette deinen Arsch!“ dazu – woran sich kaum jemand aus dem Slough House jemals hält… Und „London rules“ scheint auch zu gelten, im Sinne von: Was „die“ wollen, hat Vorrang. Auch das gefällt Lamb durchaus: Was er will, setzt er durch. Als MI5-Profi, der auch zu erpressen weiß …
Sprachlich fein verspielt
Toll jedenfalls, wie Mick Herron (und damit sein Übersetzer ins Deutsche!) mit Sprache fein jongliert, siehe Metaphern & Co., an manchen Stellen wahrlich poetisch, was mich besonders gern zu diesen lokal angehauchten Thrillern greifen lässt: S. 151f. zum Sommer- vs. Wintertag etwa: „Im Winter wird der Tag früh müde und ist schon um fünf Uhr aus der Tür: Mantel an, ab Nach Westen, bis morgen.“ (Aufgriffen am Ende S. 481ff., geradezu lyrisch.) Es folgt nach und nach der Umgang der Slow Horses mit dem (Feier-)Abend… Und wieso sind diese Menschen, wie sie sind? Weil sie (auch) Traumata zu verarbeiten haben, höchst individuell-persönliche (siehe S. 344f. etc.). Und dennoch schaffen sie es, sich einzubringen, mehr oder weniger erfolgreich – dieses Mal, soviel sei verraten, durchaus mit Kollateralschäden außerhalb der eigenen Crew. In diesem Roman wird besonders deutlich, welch Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdbild herrschen kann (etwa S. 412f.) – so gesehen, glatt eine Art Weiterbildung (auch) für Trainer, Coaches, Berater, Führungskräfte – und für alle, die sich mal in Selbst-Reflexion üben wollen. Was die Slow Horses natürlich strikt vermeiden… HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de