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Marschall McLuhan

Autor Coupland, Douglas
Verlag sonstige
Seiten 221 Seiten
ISBN 978 3 608 50306 7
Preis 18,95

Nach der Lektüre dieser Biographie ließ ich das Buch auf den Schoß sinken und murmelte „beeindruckend“ im wörtlichen Sinn: einen Eindruck hinterlassend.

Anlass für Douglas Coupland, dem Autor des Buches „Generation X“ von 1991, trotz des Vorliegens von zwei „großartigen“ Biographien eine weitere zu schreiben, scheint zweigeteilt zu sein. Ohne Rangfolge: Aktualität der Vorhersagen von Herbert Marshall McLuhan und die Ähnlichkeit dessen Familie mit der seinen (18f, 210). Beides mag teilweise verstehbar machen, weshalb die Tonalität der Darstellung eigentümlich lakonisch-empathisch wirkt. Neben nüchterner Erzählung finden sich Passagen, die einfühlsam, fast zärtlich anmuten, zumal zum Ende hin, wenn Douglas Coupland beschreibt, wodurch und wie der Stern von Marshall McLuhan an Leuchtkraft zu verlieren beginnt. Immer wieder engagiert sich der Autor dafür, den „Seher“ gerade in der gegenwärtigen Zeit in der Retrospektive zu würdigen, indem man seine Leistung, unauflösbar verwoben mit seiner Persönlichkeit, besser versteht. Diesem Anliegen verdanken sich nicht nur zahlreiche explizite Hinweise darauf, dass etwas um den außergewöhnlichen Menschen aus heutiger Sicht merkwürdig, schrullig, banal anmuten mag – dass es allerdings unter den damaligen sowohl persönlich-biographischen als auch historischen, zeitgenössischen Bedingungen originell, kreativ-innovativ, revolutionär oder exotisch erschien.

Der Autor stellt jedem Kapitel ein Zitat von Marshall McLuhan voran bzw. nach; ebenso Internet-Einträge zu in dem jeweiligen Abschnitt behandelten Hauptaussagen oder –themen. Das lese ich als Verbeugung vor dem vom Autor bewunderten 1980 Verstorbenen, der in seinen Arbeiten der 1960er Jahre bereits erkannte, erahnte, intellektuell antizipierte, wie sich elektronische Medien in den Alltag, in das Selbstverständnis, in das Miteinander und das Denken und Fühlen von Menschen hineinfressen und bestimmend werden würden.

Ausführlich und stets eingeordnet in die gesellschaftlichen Bewegungen des in Rede stehenden Zeitraums schildert Douglas Coupland die Familienhistorie (begonnen bei den Großeltern) von Marshall McLuhan; besondere Aufmerksamkeit erhält die Mutter, Elsie, deren Einfluss auf den Sohn offenkundig weitreichend und tiefgreifend war. Begleitet wird Marshall McLuhan in seinen Lebensphasen. Herausragen seine Konversion zum katholischen Glauben, die Deutung des Biographen bezüglich der Auswirkungen auf den Wissenschaftler McLuhan; ferner werden die beruflichen Etappen skizziert, die ihn in unterschiedliche Städte und Universitäten führte; erwähnt werden kooperative und rivalisierende Beziehungen, in den Marshall McLuhan lebte und die er suchte, etwa mit Koryphäen aus dem Bereich der Kunst und Literatur, sowie weitere, für eine Biographie typische Stationen.

Besonders die Bezüge zwischen McLuhans Ruhm und Anlässe, die den Weg bereiteten, überraschen. Denn der Medientheoretiker verabscheute den Gegenstand, den er so erfolgreich und ruhmreich analysierte und beschrieb. Motiviert zu dieser Forschungsrichtung wurde er nicht primär intrinsisch, von seiner Faszination für den Gegenstand (Fragen nach subjektiv internalen Ein- und Auswirkungen von Medien) – das kam später – , sondern einerseits von der Niveau- und Interesselosigkeit seiner Studenten und andererseits von seiner Suche nach einem Sujet, das für seine Studierenden (und seine universitäre Karriere) sowie für seinen Ruhm (den er seiner Mutter schenken wollte) nützlich sein könnte.

Das Zusammenführen von Zitaten aus seinen Werken mit biographischen Episoden und historischen, regional-aktuellen Daten und Geschehnissen liest sich zuweilen wie eine Einführung in das Denken von Marshall McLuhan, der sowohl ein intellektuell herausragender Wissenschaftler war, der eine bemerkenswerte Ausprägung von Egozentriertheit auslebte, jedenfalls im Reden und Denken-im-Reden. Nur in einer Hinsicht psychologisiert Douglas Coupland: Die Eigenwilligkeit, den abrupten Wechsel zwischen Empfänger- und Selbstorientierung in Gesprächssituationen sowie die extreme Geräuschempfindlichkeit veranlassen den Autor dazu, Marshall McLuhan an einem „unauffälligen“ Rand des autistischen Spektrums anzusiedeln.

Respekt und Eindruck hinterlassend: bezogen auf die Persönlichkeit von Marshall McLuhan, auf sein Werk, auf die Menschen, die in den 1950er bis 1970er Jahre ein enormes Pensum an Wandel durchlebt haben und an den Autor, der seinem Impuls folgte und dem Begründer und Stern der Medientheorie eine Schrift widmet, die sowohl die Person als auch das Werk für heutige multimedial Sozialisierte als lohnende, lehrreiche Lektüre empfiehlt.

Dr. Regina Mahlmann, www.dr-mahlmann.de

Dr. Regina Mahlmann