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Max Weber

Autor Jürgen Kaube
Verlag Rowohlt
ISBN 87134 575 3

Der Soziologe und stellvertretende Feuilletonchef der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bettet Privatleben und Arbeitsleben, Motive, Handlungen, auch den Zusammenbruch und „Neustart“ des bis heute einflussreichen Soziologen Max Weber – siehe Untertitel – in epochale Bewegungen ein, und zwar entlang des Horizontes Max Webers Erlebens-, Denk-, Wahrnehmungswelt.

Diese Verflechtung nimmt Jürgen Kaube vornehmlich in drei Weisen vor: als von ihm bei Max Weber vermutete, naheliegende Sichtweisen und Deutungen, in der Form zeitgenössischer und neuerer Stimmen, Kritik, Kommentare sowie als eigene (mit Sekundärliteratur gefütterte) Thesen, Verortungen, Folgerungen.

Die Ausführungen oszillieren zwischen Biographie mit Fokus auf Privat-Persönlichkeit und Umfeld (Gattin, Familienangehörige, auch befreundete Gelehrte, Geschäftspersonen) und intellektuellen Diskursen sowie Werken Max Webers bzw. pointierten Aussagen, Überlegungen, Ungereimtheiten, Korrekturen, Zuspitzungen innerhalb Abhandlungen und deren Begründung bzw. Rechtfertigung.

Zuweilen scheint es, dass sich der Autor nicht recht entscheiden kann, welchem Aspekt er größerem Gewicht einräumen möchte: Dem Bemühen, die Persönlichkeit Max Webers dem Leser nahezubringen, einschließlich der Korrektur psychologistischer Deutungen, oder dem Werk, also Sachinhalten, wozu erfreulicherweise auch gehört, Max Webers Überlegungen nicht als Ausgeburt monologischer Beschäftigung zu begreifen, sondern in Kontakt, auch im Kontrast zu anderen großen Gelehrten des 19./ Beginn des 20.Jahrhunderts, etwa Georg Simmel (der in der Etablierung der Disziplin Soziologie eine besonders tragende Rolle spielt). Die sachbezogenen Ausführungen überwiegen auch dort, wo Jürgen Kaube sie in Beziehung zu Webers Lebenssituation und seiner Wandlung hin zum Soziologen setzt, ersichtlich insbesondere daran, das der Autor passagenweise sehr weit ausholt, sozusagen einen großen Radius abläuft, um Sachthemen und Wandlungsphase historisch, politisch, wissenschaftlich einzuordnen.

Jürgen Kaube versteht es, den Leser beim Buch zu halten, durch eine lebendige, indes nicht übersimplifizierende Sprache und Schreibstil, vor allem indes dadurch, dass er zuweilen provokativ ist und gleichsam zu Einspruch, mindestens dazu einlädt, dass der Leser im Lesen stoppt und Gelesenes reflektiert; denn dem Autor geht es offenkundig darum, der Leser möge Max Weber verstehen. Jürgen Kaube erzählt nicht einfach, sondern referiert verschiedene Perspektiven, argumentiert mit oder gegen sie, ist deutungs- und urteilsfreudig.

Der Leser lernt eine Menge nicht nur über Max Weber, große Teile des Globus` betreffende Veränderungen sowie deren unterschiedliche Rezeption und Kommentierung. Man kann die Ausführungen zudem lesen als exemplarische Darstellung davon, wie unruhige, veränderungsreiche Zeiten wahrgenommen, erlebt, verarbeitet werden, wie sie die persönliche, berufliche, intellektuelle Lebensführung beeinflussen, gar prägen und Zeitgenossen wie später Geborene exakt dieser Verwobenheit gelehrte Werke verdanken, die Generationen ins Grübeln, konstruktiv-kritische Nach- und Mitdenken bringen, anschlussfähig für weiter führende Erkenntnisproduktion und praktische Gestaltungsfragen sind – und insofern das Etikett klassisch verdienen.

Hanspeter Reiter, www.dialogprofi.de

Hanspeter Reiter