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Meeresroman

Autor Petri Tamminen
Verlag Mare
ISBN 978-3-86648-248-7

„Schiffe versenken auf Finnisch“ ist der wohl mit Augenzwinkern gewählte Titel des Rückseiten-Textes. Und tatsächlich geht es vordergründig genau darum: Der Protagonist verliert ein Schiff nach dem anderen, früher oder später …

Der junge Mann und das Meer
…hätte auch ein passender Titel sein können: Früh lässt Huurna sich als Kapitän für die Holzbauern im Umland verpflichten – eigentlich zu früh. Denn „Zwar wird er das Gefühl nie ganz los, »dass alle anderen echte Kapitäne« sind »und er nur eine Art Missverständnis, das noch einmal ans Tageslicht« kommen wird. Doch de facto bringt Vilhelm Huurna alle Voraussetzungen für eine erfolgreiche Kapitänslaufbahn mit. Alle – bis auf das Seeglück. Und so versenkt Vilhelm einen Segelfrachter nach dem anderen, die er auf den großen europäischen Handelsrouten des 19. Jahrhunderts kommandiert. Das hindert seine Auftraggeber indes nicht daran, ihm immer neue Verantwortung zu übertragen, und schließlich erkennt Vilhelm, dem auch privat nichts erspart bleibt, dass am Ende meist alles halb so schlimm ist. Wir alle sind Vilhelm Huurna, und dieser schmale Roman, in dem der Autor die Kunst des pointierten, lakonischen Erzählens perfektioniert hat, ist eine so aktuelle wie kurzweilige Parabel über die Tragikomik unseres Lebens.“ Wobei ihm kaum mal ein Vorwurf gemacht wird, von seinen Auftraggebern: Das gehört halt dazu …

Kommunikation hat Zeit
Typisch finnisch? Jedenfalls findet Leser hier eine nachdenklich stimmende Kombination aus Fatalismus im Umgang mit dem Meer – einem ? Kampf, siehe Hemingway, siehe Melville … und der gerade Finnen zugeschriebenen Melancholie, über die langen Winter mit kurzen Tagen hinaus. Das breitet der Autor „sehr schön“ aus, siehe etwa Seite 18, als er sich vorstellt: „Dies wurde nun ausführlich bedacht, man saß da und hörte zu, was die Wanduhr im Saal zu sagen hatte.“ Und an weiteren Stellen wie etwa S. 70f., wo es dann ums Bäumefällen geht, nach dem Entscheid, selbst ein Schiff zu bauen: „Huurna musterte die Männer, um herauszufinden, was in sie gefahren war, aber sie wirkten lediglich aufgeweckt und bubenhaft, so wie alte Männer bisweilen aussehen, auch wenn sie im nächsten Moment schon wieder mürrisch werden und wochenlang schweigen können.“ Er selbst wird auch kaum warm mit seinen Matrosen: Eine Führungskraft auf Distanz quasi – delegieren jedenfalls scheint er zu können … Und hat auch Züge des eingebildeten Kranken, häufig mit Husten und Brustschmerzen geplagt, offenbar psychosomatisch. Doch erlebt er auch glückliche Zeiten, nämlich erfolgreich unterwegs in vielen Häfen, oh ja! HPR

Hanspeter Reiter