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Mensch und Kosmos

Autor Ernst Peter Fischer, Klaus Wiegandt
Verlag sonstige
Seiten 368 Seiten
ISBN 3596162157
Preis 13,90

James A. Robinson, Klaus Wiegandt (Hg.), Die Ursprünge der modernen Welt. Geschichte im wissenschaftlichen Vergleich. Reihe Forum Verantwortung, Frankfurt/M 2008, 2. Aufl., Fischer Verlag, 978 3 596 17934 3

Beide aus Symposien hervorgegangenen Reader beeindrucken – wie man es von dem „Forum für Verantwortung“ gewohnt ist – durch eine Versammlung renommierter Wissenschaftler, deren Forschungen, Thesen und Hypothesen, Schlussfolgerungen und persönlichen Ansichten und höchst wissenswerter Ausführungen zu den Akzenten der Beiträge.

Der Band „Mensch und Kosmos“, bereits 2004 erschienen, erlangt insofern heute, sieben Jahre später, insofern Aktualität, als In den letzten Wochen Feuilletons in Tages- und Wochenzeitungen von den neuesten Theorien und Spekulationen um Entstehung und Entwicklung aus der vor allem Theoretischen Physik berichteten. Das Verhältnis von Mensch und Kosmos, das Verhalten des Universums für sich und in Bezug auf uns hält an und beflügelt sowohl Forschung als auch metaphysische Vermutungen oder Vorstellungen von dem, wie es gewesen und heute sein könnte und sich in Zukunft verhalten wird.

Zugegeben: „Mensch und Kosmos“ können vor allem jene Leser genießen und würdigen, die ein Vorwissen und ein fundiertes Interesse an Themen der Theoretischen und Astro-Physik mitbringen. Die Rezensentin gehört dieser Gruppe nicht an. Allein die Neugier und die philosophische Frageperspektive, die zwar in fast allen Artikel mitschwingt, fachlich besonders vertreten ist durch Aufsätze von Jürgen Mittelstraß und Bernulf Kanitscheider, trieben sie an, die Aufsätze zu lesen, sich zuweilen gleichsam – mit Hilfe von Glossar und den außerphysikalischen Bezügen der Autoren – durchzubeißen und inne zu halten, um einzelne Aspekte zu reflektieren.

Glücklicherweise überlappen sich einige Themenausschnitte in den Erörterungen der Physiker, die übrigens überraschend und erfreulich elegant, manches Mal witzig und sehr metaphernreich schreiben – , zum Beispiel die Frage nach dem, was „leer“ in dem Ausdruck „leerer Raum“ bedeutet, oder die Theorie des inflationären Universums. Dabei erhöhen die verschiedenen Kontexte, in denen die Themenausschnitte wiederholt auftreten, den Lerneffekt und – das gilt durchgehend – belehren nicht nur inhaltlich, sondern auch denkanalytisch, begrifflich und methodisch. Rätsel bleiben – darauf weisen die Wissenschaftler hin, nicht entmutigt, sondern ermutigt sowohl zu weiterer Forschung und Theoriebildung, zu weiteren Kontroversen um alternative Vorstellungen und Theorien als auch zu weiteren spekulativ gefassten Möglichkeiten. Kontingenz oder Kontinuität, Determinismus oder völlige Zufälligkeit und Freiheit, Urknall oder bzw. und dunkle Materie, kosmische Hintergrundstrahlung, die gleichförmig aus allen Richtungen kommt – dies sind nur einige wenige Stichworte aus den Aufsätzen.

Physiker und naturwissenschaftlich-philosophisch Interessierte profitieren also in vielerlei Hinsicht, wenn sie sich diesem Band widmen. Auch er ist in die Fragestellung nach Folgerungen und Bedeutung der Überlegungen, Theorien und Spekulationen für Gegenwart und Zukunft der Menschen und ihrem Agieren auf dieser Erde eingebettet.

Der Band „Die Ursprünge der modernen Welt“ verdankt sich einer vergleichenden Fragestellung: Wie konnte es im Verlauf der Geschichte der Menschen bzw. Gesellschaften und Kulturen zu drastischen Verteilungsunterschieden (Armut, Reichtum), zu ungleichen Entwicklungen kommen – und welche Lehren können daraus gezogen werden? Antwortversuche werden aus der Sicht unterschiedlicher Wissenschaftsdisziplinen unternommen. Beiträge aus archäologisch-anthropologischer, geographisch-klimatologischer, historischer (Sozial-, Wissenschafts-, Wirtschaftsgeschichte), politologischer, naturwissenschaftlicher (z.B. Landwirtschaft), evolutionsbiologischer und geistesgeschichtlicher Perspektive. Die Annäherungen erfolgen mit unterschiedlichen Schwerpunkten: methodisch, im Rahmen von Erklärungsarten (fundamental, ultimat(iv), proximativ), global und regional vergleichend und auf Metaprozesse bezogen, Entwicklungen analogisch fassend, national spezifisch, sozialtheoretisch.

Die Einführung durch James A. Robinson gibt einen Ein- und Überblick über den voluminösen Band, die man unbedingt lesen sollte, bevor man sich den einzelnen Beiträgen widmet, weil sie diese in den Gesamtzusammenhang einordnen und die kategorialen Unterschiede der Blick-, Forschungs-, Erkenntnisausrichtung bewusst macht. „Die Kapitel dieses Buches unternehmen offenbar einen umfassenden Rundflug über die Weltgeschichte – von den Ursprüngen der Menschen im afrikanischen Osten bis zu den steuerlichen Reformen Chinas am Ende des 20. Jahrhunderts…. Was dabei in meinem Verständnis der Dinge zutage triff, ist die klare Einsicht, dass die Effekte irgendeiner bestimmten Variablen nur kontingent auf andere einwirken und die politischen Ergebnisse, die wir in der heutigen Welt sehen, wahrscheinlich das Ergebnis von vielen wechselwirkenden Kräften sind, wo bei sie in verschiedenen Situationen von unterschiedlicher Bedeutung sind.“ Damit verweist J. A. Robinson auf Kategorien der Komplexität – vermutlich das Hauptparadigma unserer Gegenwart. Zusammen mit der weit gefassten Kategorie der Kontextabhängigkeit – wenn man so will: ganzheitlich, sich der Einbettung von Entwicklungen bewusst – formt sich ein Verständnis historischer Verschiedenheit und Vielfalt, das sämtliche Faktoren und deren Zusammenspiel thematisiert: Naturgegebene Umweltfaktoren wie Klima, Landschaft als äußere Determinanten im Wechselspiel und daher in Austausch und Anpassungsdynamik mit allem, was Menschen hervorbringen (Sozialität, Kultur).

Das Beeindruckende und Faszinierende des Bandes verspricht bereits das Inhaltsverzeichnis, das in folgende Teile oder Blöcke gegliedert ist: Nach einem Vorwort von Klaus Wiegandt und der Einleitung von James A. Robinson erwarten den Leser zwei bis drei Beiträge zu der Ausgangsfragestellung innerhalb der Teile „Der vergleichende (komparative) Ansatz“, „Globale Prozesse im Vergleich“, „Aufstieg und Fall früherer Gesellschaften“, „Der europäische Sonderweg“, „Kontinuität und Wandel außerhalb Europas“.

Klaus Wiegandt sei Dank für ein solches Kompendium, dem ich so zahlreiche weitere Leser wünsche, dass eine dritte Auflage anvisiert werden kann. Die Lektüre bildet nicht nur, sondern verleiht einen breit gefächerten, multiperspektivischen Einblick in unser aller Geschichte – und macht insofern demütig, als die Frage nach dem, was wir aus den Entwicklungen für das Hier und Heute lernen können, vielfältige Antworten erhält – fundamental oder proximativ – am wenigsten ultimativ im Sinne einer einzig möglichen.

Dr. Regina Mahlmann
www.dr-mahlmann.de
info@dr-mahlmann.de

Dr. Regina Mahlmann