Metamorphosen oder der goldne Esel

„Die Andere Bibliothek, Band 400“ – ein Jubiläum also, für diese Reihe mit besonderem Anspruch. Dieses Mal realisiert u.a. so: Originalausgabe, nummeriert und limitiert. Ausgestanzte, goldene Buchschlaufe, geprägter Einband, goldenes Vorsatzpapier, mit Illustrationen, Fadenheftung, Lesebändchen. Buchgestaltung: Manja Hellpap, Berlin. Gedruckt in einer Auflage von 4.444 Exemplaren, bezogen teils von Subskribenten, die von Anfang dabei seien: Welch eine Sammlung also!

Mehr als Amor und Psyche
Jene Geschichte, die eine der erzählten ist, ein wenig à la 1.001 Nacht – und die als zentrale am meisten von Kritik und Publikum wahrgenommen worden ist. Das u.a. erläutert Stefan Stirnemann als Quasi-Herausgeber, der die Geschichte von Original, erster Übertragung und weiterer Provenienz in seinem ausführlichen (44-seitigen!) Vorwort exzellent betrachtet und erläutert. Fein, dass Leser kaum darum herumkommt, diesen Text vor dem eigentlichen zu lesen! Doch dann geht´s auch schon los: „“Ich will dir, lieber Leser, in diesem milesischen Märchen allerhand lustige Schwänke erzählen, welche deine Ohren auf das angenehmste kitzeln sollen …“ leitet das Erste Buch ein, „Auf der Landstraße nach Thessalien“. Wunderbar, wie der Appetit des hinein blätternden Lesers angeregt wird, mit diesem amuse gueule! Höchst passend zu dieser Bibliothek, die eine andere ist: weit schweifend durch Genres und Jahrhunderte, immer wieder Neues entdecken lassend und doch Bekanntes integrierend.

Die Andere Bibliothek
Wie sagen die Handelnden so treffend und geschickt hinführend: „Mit unserem 400. Band kehren wir traditionsbewusst zurück zu den Anfängen: Band 1 unserer Anderen Bibliothek versammelte aus dem Griechischen übersetzte „Lügengeschichten und Dialoge“ des Lukian von Samosata. „Metamorphosen oder Der goldne Esel“ des Apuleius, übertragen aus dem Lateinischen, ist ein Roman aus dem 2. nachchristlichen Jahrhundert, der seit 1800 Jahren die Literatur und Bildende Kunst beeinflusst. Er erzählt die Geschichte des nach Wundern begierigen jungen Manns Lucius, der, durch eine falsche Zaubersalbe verwandelt, nun als Esel mit Menschenverstand durch eine unglaubliche Fülle spannender und komischer Erlebnisse gewirbelt wird. Er muss erkennen, welch delikate und verwunderliche Beziehungen Menschen untereinander und selbst mit Eseln eingehen. Mit dieser Rahmenerzählung verflochten findet sich ein Kranz selbständiger Liebes-, Gauner- und Schelmengeschichten, die das farbige Bild menschlichen Erlebens auf amüsante Weise erweitern.“ Da erinnert manches an Märchen wie „Hans im Glück“, in dem die Metamorphosen allerdings die erhaltenen Gegenstände betrifft … „Vielfach ausgedeutet, haben alle Lesarten diesem so grotesk-sprunghaften wie witzigem Buch nichts von seiner hauptsächlichen Qualität genommen: seiner feinen, klassisch-komödiantischen Ironie.“ Und ein Muster dafür, wie es gelingen kann (konnte!), durchaus unterschiedliche Geschichten in eine zusammen zu führen.

Zum Jubiläum von „Die Andere Bibliothek“
…ist übrigens auch eine Chronik erschienen, siehe hier: https://www.die-andere-bibliothek.de/Extradrucke/Die-Chronik-der-Anderen-Bibliothek::735.html. Auch die natürlich besonders gestaltet, was ein Programm! Ihr bleibt zu hoffen (und allen daran Beteiligten), dass sie „ad multos annos“ weiterlebe, wie Christian Döring als Herausgeber (in der Nachfolge des Gründers Hans Magnus Enzensberger, nun unter dem Dach des Aufbau-Verlags) in einem Beilege-Blatt sein spezielles Editorial beschließt … HPR

Hanspeter Reiter