Milde Gaben
Autor | Donna Leon |
Verlag | Diogenes |
ISBN | 978-3-257-07190-0 |
„Commissario Brunettis einunddreißigster Fall“ von einer berühmten Autorin, weltoffen ihr Leben lang – und mit nunmehr schon 80 Jahren kein bisschen leiser … Ich hatte schon befürchtet, mit No. 30 habe er sein Ende gefunden, wie offenbar jedenfalls die Verfilmungen – doch nun folgt ein weiterer 350-Seiten-Band, erfreulicher Weise.
Kritische Themen der Zeit
Greift Donna Leon ja regelmäßig auf, in ihren Romanen, die weit mehr sind als Lokalkrimis – trotz aller Venedig-Atmosphäre und vielem Lokalkolorit, Blick auf die Stadt-Geschichte inklusive. Das ist die Story kurz gefasst: „Elisabetta Foscarini, Jugendfreundin von Brunetti und immer noch eine Schönheit, taucht eines Tages in der Questura auf. Ob Brunetti verdeckt ermitteln könne, wer die Familie ihrer Tochter bedroht? Konkrete Tathinweise fehlen. Wer sollte auch einer Tierärztin Böses wollen und einem Buchhalter, der für eine wohltätige Stiftung gearbeitet hat? Schon will Brunetti das Ganze als übertriebene mütterliche Sorge abtun, da kommt es zu einem Überfall, der menschliche Abgründe offenbart.“ Die einerseits mit Stiftungen und Spenden zu tun hat (siehe Titel!), andererseits mit Familie – etwa mit dem Umgehen mit einem dementen Mitglied, siehe S. 127f. etc.. Wie eigentlich immer, kommt dabei Brunettis gleich mit ins Spiel, Erinnerungen werden wach, etwa an seine Mutter, an seine Kindheit – nahe liegend, wenn ein Kontakt aus jener Zeit auftaucht, siehe oben…
Behutsam und dennoch konsequent
…ist des Commissarios Vorgehen, wie gewohnt und erwartbar: Nach Jahrzehnten ja nun mit inzwischen anderem Personal, wobei Vianello (inzwischen Freund) der bleibende Kollege ist, wie auch im Hintergrund der Vicequestore, dieses Mal dort verharrend statt selbst aufzutreten. Es ist faszinierend, wie es der Autorin gelingt, diese Figur(en) über Jahrzehnte des Schreibens wie der Rezeption weiter zu entwickeln und dennoch als Charakter beständig zu erhalten, trotz alles Wandelns, auch von Gesellschaft und Umfeld: Sie findet immer wieder Themen, man mag es bedauern, die aus einem scheinbaren Lokalkrimi viel mehr macht: Gesellschaftskritik z.B. Dieses Mal seht das italienische Finanzsystem im Fokus, mit allen Macken (S. 76f. etc. pp.) – und bildet dennoch nur die Rahmenhandlung. Auch das Problem, heutzutage in bestimmten Medien Fakten und Fakes (statt Fiktion!) unterscheiden zu können, klingt mehrfach an – S. 106f. etwa, in einer der vielen Selbstreflexionen des Commissario. Der natürlich wieder der gewohnt exzellente Beobachter seiner Mitmenschen ist (S. 233, 277 z.B.), was ihn als Ermittler auszeichnet… Wie immer: fordernd unterhaltsam, angedeutet spannend, feinsinnig informativ. HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de