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Moonatics

Autor Arne Ahlert
Verlag Heyne
ISBN 978-3-453-31814-4

„Willkommen auf dem Mond“, dem neuen Ausweich-Ziel von einerseits Hippies, andererseits gut Betuchten – beide Gruppen auf der Flucht vor der Realität auf dem Globus, der immer weniger bewohnbar wird:
Die Geschichte, Jahr 2044
„Die nahe Zukunft: Webdesigner Darian Curtis ist ein begeisterter Globetrotter, der schon so gut wie jedes Land der Erde besucht hat. Als er eines Tages ein beträchtliches Vermögen erbt, erfüllt er sich einen lang gehegten Traum: Da die Erde aufgrund des Klimawandels und wachsender Terrorgefahr sowieso kein angenehmer Ort mehr zum Leben ist, besteigt Darian kurzerhand eine Rakete und fliegt zum Mond, um dort drei Wochen entspannt Urlaub zu machen. Es ist der Beginn des größten und verrücktesten Abenteuers seines Lebens, denn auf dem Mond geht die Party erst richtig los …“.
Die Party
…wird auf verschiedenen Ebenen mit unterschiedlichen Gruppen tatsächlich „weltvergessen“ inszeniert, scheinbar sicher fernab dem tragischen Geschehen auf der Erde. Kick holen sich die Teilnehmenden (oder Touristen oder Residenten) durch verrücktes Herumrasen auf dem Mond, Schein-Aussteigen in gewachsenen Schutzräumen – oder durch Verlassen eben dieser, um die wenigen Sekunden zu erleben, die ein Mensch offenbar auch im Vakuum überleben kann, bevor er in Schutzanzug oder Schleuse wieder Atmosphäre erhält. Und weitet sich zu einem tragisch-realen Werden aus, mit dem die gebotenen unwirklich-virtuellen Welten kaum mehr mithalten können. Mitten drin Darian, weit mehr Einfluss nehmend als er sich jemals vorstellen hätte wollen. Und dennoch nur ein Marionette, wie ihm schließlich klar wird – noch rechtzeitig?
Verspielt detailreich
Der Autor hat sich tatsächlich tief vergraben im Überlegen, wie ein Leben auf dem Mond denn aussehen könnte: Golfspielen entwickelt sich als Dreh- und Angelpunkt (bis hin zu einer Selbsttötung nach Niederlage) und wird fast liebevoll mit seinen Regeln auf die rein sandbasierten Oberfläche des Mondes übertragen. Ähnliches gilt fürs Fortbewegen, die Chancen der Pflanzenwelt & Co. Eben eine kulturell-philosophische SciFi-Story, wenig technikorientiert, bis hin zu Gaia und ihrem Ablehnen der Menschheit.
Da ist Hommage drin
Vielerlei verspielte Bezüge sind zu entdecken, u.a. zu Klassikern, angedeutet wie zitiert: Hier kann Leser sich an verzweifelt-hedonistische Verhaltensweise in der Abstiegszeit Roms erinnert fühlen, Orgien & Co., dazu Kunst-Performances der 3D-Art … Wobei auch nette Wortspiele aufpoppen, etwa im Zusammenhang mit dem „Verschwinden“ des Katers des Geschäftsführers von Levania, genannt Schrödinger: „Am nächsten Morgen würde ich nun doch nicht mit einem Kater aufwachen“, so Darian (S. 547). Beiseite lassend, dass der extensive Alkohol-Konsum des „Vorabends“ doch zu einem ebensolchen führen werde … Unterhaltsam, dennoch betörend real eine nahe Zukunft fokussierend, wie sie uns Menschen „blühen“ kann.
Trans-Human?
Menschliche Cyborgs und weit entwickelte Roboter spielen genauso mit wie verzweifelte Weltenretter im Widerstreit mit Großkapitalisten im Sinne von „nach mir die Sintflut“, dazu fremdgesteuerte Terroristen, die durch Wegpusten ebensolcher die Erde retten wollen – und damit die Menschheit, wenn sie denn noch zu retten ist. Oder die Flüchtlingsmassen nach Tsunami, Kernkraftwerks-Explosion & Co. einfach wegbomben, inhuman – und doch so sehr menschlich, weil höchst egoman. Als Großmacht gibt es im Grunde nurmehr die Chinesen, die sich zudem als jenen überlegen empfinden, die vom Affen abstammen – sie selbst hätten sich ja parallel entwickelt. Entsprechend entwickelt sich auch der Mond – in welche Richtung nur, wenn nun auch Kinder dort geboren werden? Die unterschiedlichen Parteien spiegeln sich auch im Kleinen auf dem Mond … Seien Sie neugierig…
HPR

Hanspeter Reiter