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Nichts als die Wahrheit

Autor Georg Gänswein
Verlag Herder
ISBN 978-3-451-39603-8

„Mein Leben mit Benedikt XVI.“ bietet vielerlei Einblicke aus Sicht dessen Privatsekretärs aus nahezu drei Jahrzehnten in dessen Diensten in unterschiedlicher Funktion/Position, auf mehr als 300 Seiten.
Wir sind Papst
…hätte der Autor mit mehr „Fug und Recht“ formulieren können als BILD & Co., als 2005 Kardinal Ratzinger ins höchste katholische Kirchenamt gewählt war: Hatte er ihn doch da schon lange Jahre begleitet! Nun, „kaum einer kannte den deutschen Papst so gut und keiner war in den letzten Jahren so nahe an seiner Seite: Georg Gänswein begleitete Benedikt XVI. nahezu drei Jahrzehnte bis zu dessen Tod. Gänswein kennt Joseph Ratzinger als Glaubenspräfekten in Rom, er war einer der wichtigsten Vertrauten in seiner Zeit als Papst und er weiß, was wirklich hinter dem spektakulären Amtsverzicht steckte [S. 198 und drum herum]. Darüber spricht Gänswein in diesem Buch offen und ehrlich. Genauso schreibt er über die Jahre nach dem Rücktritt und das Leben mit »zwei« Päpsten im Vatikan. Georg Gänswein schenkt Einblicke, die niemand anders so haben konnte und die den Leser teilhaben lassen an historischen Ereignissen und an ganz persönlichen Erfahrungen. Ein Buch, das die Welt des Vatikans näherbringt und noch mehr die Persönlichkeit des deutschen Papstes. Wer Benedikt XVI. wirklich begreifen will, muss dieses Buch gelesen haben.“ Und erfährt eine Menge darüber, wie er mit wem und was im jeweiligen Umfeld umgegangen ist: Manches will der Autor „richtig stellen“, anderes ist nach persönlichem Erleben (neu?) interpretiert. Wen´s interessiert, siehe etwa die Frage nach der Höhe der Stimmen beim Konklave, bei dem er wohl lt. einigen Aussagen vom ersten Wahlgang an bereits die meisten Stimmen erhalten hatte (u.a. S. 79 und drum herum). Und wie was das mit Vatileaks (S. 131 und drum herum)? Der interreligiöse Dialog war ihm wohl besonders wichtig (S. 166f. etc.).
Biografie?
Nun, da lernt Leser einiges, sei es über Joseph Ratzinger und seinen Aufstieg trotz des eher prekären familiären Herkommens. Sei es über den Autor (etwa als „Der geteilte Präfekt“ S. 251ff.), der mindestens so stark emotional-persönlich rüber kommt wie die Person, über die er erzählt. In sehr sympathischer, Wert schätzender Weise. Will sagen, Leser erhält tiefe Einblicke auch ins Seelenleben dieser beiden Personen – und dazu über Alltag, Politik und Verständnis im nahen Umfeld, primär des Vatikan. Ein Erlebnis- und Erlebens-Bericht statt als heraus platzendes Whistleblowing zu erscheinen: Im Grunde dürfte all das allgemein bekannt sein resp. frei zu recherchieren, was Gänswein präsentiert – allerdings in einer freundlich-fokussierten Perspektive. Interessant und fürs Bild von Ratzinger relevant fand ich etwa die Darstellung, dieser habe mehrfach versucht, vom damaligen Papst aus Funktionen entlassen zu werden, um sich schlicht auf Forschung zu konzentrieren, was dieser jeweils abgelehnt habe: War er also letztlich gar Papst wider Willen, auch das kommt konkret eher so rüber? Zugleich ist fokussiert, dass er diese Aufgabe extrem exzellent erledigen wollte wie auch alle früheren… Sehr zu empfehlen, auch umstrittene Handlungen des Vorgestellten besser verstehen zu können – oder jedenfalls einordnen. Siehe Themen wie Missbrauch (eigenes aufgegriffen S. 278ff.) oder auch alte Liturgie (S. 277 und davor). Weil gesellschaftlich-politisch weit übers Klerikale hinaus wirksam, auch für alle „Nichtgläubigen“ wie der Kirche (den Kirchen) entfernt Gläubigen durchaus zu empfehlen! PS: Vielleicht hat er´s übertrieben, mit der Wahrheit, der Autor? Lt. Spiegel (online) am 24.04.2023 hat ihm Papst Franziskus empfohlen, nach Deutschland zurück zu kehren. Gänsweins´ nieder geschriebene Irritation, als Präfekt des päptstlichen Hauses dauerhaft beurlaubt worden zu sein, war wohl auf wenig Wohlwollen getroffen… HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de

Hanspeter Reiter