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Öl!

Autor Upton Sinclair
Verlag Manesse
ISBN 978-3-7175-2254-6

Wieder verfügbar ist eines der in Deutschland wirkmächtigsten Werke jenes Autors, der durchaus Chancen auf den Literatur-Nobelpreis hatte, Anfang der 1930-er Jahre. Der einer jener wenigen US-Autoren des 20. Jahrhunderts ist, der in „gehobener“ Literatur Zugang zum Verständnis von Gesellschaft und Politik der USA liefert, hier: in den Jahren um 1920, vom auslaufenden Ersten Erdkrieg (mit entscheidendem Eintritt der USA ins Geschehen) in die Jahre danach, mit Anklingen der Depression. Wie der Autor selbst (s.u.) ist es die zentrale Figur von Bunny Ross als potenziellem Erben des väterlichen  Ölmagnaten, der zwischen Sympathie und Aktion zu Gunsten der „Arbeiterklasse“ und Mitmachen im Tun (und Lassen) der US-Geldelite hin- und her gerissen ist. Letztlich zwischen Schein und Sein, wie das der Roman in verschiedenen Ebenen des Geschehens aufzeigt, durchaus eng verwoben: Kapitalismus wie auch Sozialismus (resp. Sowjet-Kommunismus), High-Society wie auch religiöser Fanatismus, aus einer vom Öl-Boom eher negativ getroffenen Parallel-Familie. Hin- und her gerissen ist Bunny zwischen Familie und Freunden, Show- und Society-Gespielinnen wie ideologisch-intellektuell geprägten Freundinnen. Sinclair lässt ihn als Getriebenen erscheinen, wenig selbst aktiv, jedenfalls bis nahe zum Ende – doch das mag Leser sich selbst erschließen, über (im Deutschen) immerhin mehr als 700 Seiten … Sprachlich gefiel mir besonders das Amüsiert-Ironische, mit dem der Erzähler im Grunde alle Personen ein wenig auf die Schippe nimmt. So bringt er Leichtigkeit ins Spiel, das an sich ein sehr ernstes ist – um Geld, Macht, Liebe und letztlich: Lebens-Sinn. Letztlich ist dies auch eine Art Entwicklungsroman rund um Bunny, der sich frei strampeln muss und endlich lernen, selbst zu entscheiden. Was mit einer Menge Geld im Hintergrund scheinbar einfacher sein mag als ohne – doch das erweist sich hier durchaus als Trugschluss. Immer wieder blitzt dabei das Augenzwinkern des Autors auf, mit dem er Beobachtungen einerseits die Schärfe nimmt, andererseits diese damit erst recht fokussiert, etwa S. 343: „Wo die Truppen von den Bolschewiken geschlagen und zum Rückzug gezwungen wurden, verbrannte das Amerikanische Rote Kreuz Medikamente im Wert von Millionen Dollar, aus Angst, damit könnten verwundete bolschewikische Soldaten geheilt und bolschewistischen Frauen im Kindbett geholfen werden. Irgendwie machte es gar keinen Spaß mehr, im Kanu auf einer schönen blauen Lagune dahinzugleiten, wenn man hörte, was so alles in der Welt passierte!“

Hanspeter Reiter