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Orlando

Autor Virginia Woolf
Verlag Input
ISBN 978-3-941-90550-4

„Perlen der Literatur Band 16“ liefert „Eine Biografie“, eine höchst wandlungsfähige Person durch drei Jahrhunderte zu verfolgen: Erinnert a bissal an andere Figuren wie den Alchemisten Graf Cagliostro… Auch dies ein Band (von immerhin mehr als 300 Seiten!), der Lust darauf macht, weitere Perlen kennen zu lernen, aus einem bunten Mix an höchst unterschiedlichen literarischen Stücken ist in dieser bemerkenswerten Reihe versammelt, Fortsetzung versprochen…

Geschlechts-Umwandlung
…passiert hier der Hauptfigur, die ihren vordergründig männlichen Vornamen durchaus beibehält, auch nach dem Verwandeln in eine Frau. Die sich wie vorher das männliche Pendant mal dem anderen, mal dem eigenen Geschlecht zugewandt fühlt. Was zu diversen ambivalenten Situationen führt – und doch letztlich metaphorisch zu verstehen ist, für eine Zwischenphase der Autorin selbst: „Orlando bewirtet Alexander Pope und Jonathan Swift mit Tee“ und wirft damit einen Blick auf diese und diverse weitere englische Autor:innen. „Vorher war sie nach einem mehrtägigen Schlaf als Frau erwacht. Ihre Angewohnheit, nachts in Männerkleidern auszugehen und mit der Geschlechteridentität zu spielen, macht diesen Roman hochaktuell. Das brisante Thema dieses Romans, in dem die Hauptperson Orlando über sagenhafte drei Jahrhunderte agiert, ist die Verwandlung vom Mann zur Frau. Virginia Woolf reflektiert in dem 1928 erschienenen Werk die Stellung der Frau in der Gesellschaft und beim Schreiben. Die teilweise etwas düsteren Passagen sind sprachlich jedoch so herausragend, dass man ­„Orlando“ nicht nur als Biographie der Geliebten von Virginia Woolf bezeichnen kann, sondern als einen ihrer Schlüsselromane. Virginia Woolf beschrieb die Phase, in der sie Orlando mit größter Leichtigkeit verfasste, als „glücklichen Herbst“. Die Neuübersetzung von Gerrit Pohl lässt uns am englischen Leben über drei Jahrhunderte teilhaben. Das Buch endet im Jahr 1928, als Orlando ein Auto besitzt und im Warenhaus einkauft.“ Dann sind 300 Jahre vergangen, bis in die Gegenwart der Autorin zurzeit des Schreibens…

Trans, trans oder trans?
Expressis verbis äußert sich Virgina Woolf S. 174f. zum Thema „Geschlechter“, in Zeiten wie diesen nach wie vor oder auch erneut ein großes Thema, siehe Sex & Gendern: „Der Unterschied zwischen den Geschlechtern ist glücklicherweise sehr viel tiefgreifender. Kleider sind nur ein Sinnbild für etwas, das tief im Inneren verborgen liegt.“ Ein weiteres wieder kehrendes Thema ist das Schreiben an sich, das die Autorin offenbar dauerhaft bewegt, vielleicht gar als transformierendes: Orlando schreibt viel und immer wieder, vernichtet Geschriebenes, erinnert sich – und ist fast verzweifelt, als in einer Zeit des Gefangenseins als Diplomat in der Türkei Schreibmaterial fehlt. Irgendwann wird sie (!) dann überredet, etwas zu veröffentlichen (S. 259ff.) und ist erneut hin und her gerissen, ambivalente Gefühle also auch hier, gar Transzendenz anstrebend… Fein auch das Nachwort des Übersetzers Gerrit Pohl (S. 308ff.), das Bezüge zwischen Figur und Autorin deutlich macht… HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de

Hanspeter Reiter