Poststationen

„Ausgewählte Erzählungen zum Wesen der Post“ sind hier zusammen getragen, umrahmt von einer ausführlichen Einleitung des Herausgebers Wladimir Velminski (7ff.) und einem „Postskriptum“ von Jurij Murasov: „Das Schweigen des Postillions und das Ende des literarishcen Erzählens. Zur Medientheorie und Narrotologie postalischer Motive und Sujets in Cechovs Kurzprosa“ (S. 227ff.). Viel Stoff also, primärer wie sekundärer (= interpretierender) Zugang! Und dazu begleitet durch Illustrationen von Dimitri Dergatchev … Das finden Sie dort: »Postboten sind Märtyrer. Sie tragen ein schweres Kreuz. Es sind Helden, die anzuerkennen das Vaterland sich beharrlich weigert. Sie arbeiten viel, kämpfen mit der Natur wie kein anderer und leiden bisweilen unerträglich, und trotzdem kündigt, entlässt und bestraft man sie weitaus häufiger, als dass man sie belohnt. Wissen Sie, wie viel Gehalt sie bekommen, und haben Sie in ihrem Leben auch nur einen einzigen Postboten mit einer Medaille gesehen?« Mit Augenzwinkern betrachtet Anton Cechov das Wesen der Post aus einer historisch-aufklärerischen Perspektive. Indem er die postalischen Formen von Adressierung, Übertragung, Überwachung, Zensur und Beeinflussung relaisartig mit dem literarischen Schreiben verschaltet, fokussiert er eine Epoche der Post , die ihrer Geschichte vorauseilt. Sodass Cechovs Post-Geschichten mit Blick auf die NSA-Affäre aktueller denn je erscheinen…“. Konkret dann in diesen passend benamsten Kapiteln: Postämter und Postdiener – Briefe – Wege und Boten – Postfiktionen. All das naturgemäß aus Sicht und Erleben Ende des 19. Jahrhunderts: Pferd, Boot, Kutsche – so ist „man“ unterwegs in Sibirien (s. z.B. S. 156). Dort übrigens wie z.B. auf S. 182 stieß ich auf mir bekannte Ortsnamen – mir bekannt aus Studienzeiten, als ich mich dortigen Sprachen (und damit Völkern) befasste, Ostjaken und Wogulen, u.a. am Fluss Enisej lebend. Natürlich machte diese Koinzidenz den Band zusätzlich interessant für mich, doch erst nachrangig, da erst beim Lesen entdeckt J … Eine interessante Mischung aus Sachbuch (= Infos über Zeit, Ort und Logistik damals) und Unterhaltung … HPR

Hanspeter Reiter