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Reichtum verpflichtet

Autor Hannelore Cayre
Verlag Adriadne
ISBN 978-3-86754-252-4

„Rebellion der Freaks“ ist der Rückseiten-Text des Schutzumschlags betitelt – wobei das im Grunde nur ein eher oberflächliches Detail ist, nach meinem Empfinden. Interessant dagegen der Plot resp. die Story als solche: Die Urenkelin eines Pariser Kommunarden realisiert 150 Jahre später genau das, was jener gerne erreicht hätte, starke Idee! Unterhaltsame Lektüre auf 250 Seiten, Zeittafel und vertiefende/erklärende Anmerkungen der Übersetzerin inkl.

Historisch, lokal, noir
…ergibt einen interessanten, fein gesponnenen Mix, Zeitreise quasi inklusive: Erzählt wird in zwei Zeit-Ebenen = jetzt plus 1870/71. Verbunden rein sachlich übrigens durch Infos, die die Autorin aus ihrer Piketty-Lektüre zieht. Plus dem eigenen „Freak-Erleben“, war doch auch sie knapp an Querschnitts-Lähmung vorbei geschrammt. Was uns zur Story führt: „Blanche de Rigny mag keine gesunden Beine haben, aber sie verfügt über andere Ressourcen. Mit deren Hilfe gräbt sie die Geschichte ihres verträumten Vorfahren Auguste de Rigny aus. Und stellt fest, dass sich der Wert eines Menschenlebens seit den Gemetzeln von 1870 nur geringfügig verändert hat. Die aktuelle Schieflage ist global, dazu die drohende Klimakatastrophe: Man muss etwas tun! Blanche macht sich schlau und greift zu eigenwilligen Mitteln …“, was den Noir-Aspekt dieser unterhaltsamen und durchaus auch spannenden Geschichte ausmacht.

Gelungen verwoben
… hat sie dabei eben historische Fakten mit Fiktivem: „Ausgezeichnet mit dem Prix du Roman Noir historique Bewährt provokant und stachelig erzählt Hannelore Cayre in ihrer Badass-Komödie vom Gesetz des Geldes, der Rebellion der Freaks, von Elitenildung und Klassenkampf. Sie spinnt den Faden zum Deutsch-Französischen Krieg und zur Niederschlagung der Pariser Commune, beleuchtet die Gründung riesiger Vermögen im 19. Jahrhundert und ihre verheerenden Wirkungen bis in unsere grell glitzernde Gegenwart.“ Das eben bildet den roten (Ariadne  ?) Faden des Geschehens… Die Charaktere sind zugleich scharf wie diffus gezeichnet, sodass Leser sich ein eigenes Bild von ihnen machen kann. Und die Idee, sich via gut recherchierter Familien-Geschichte jene Verwandten vom Leib zu schaffen, die beim Erben im Wege stehen, die ist noir, wenn auch Augen zwinkernd: A bissal Dokufiktion ist also mit geboten, zur spannenden Unterhaltung! HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de

Hanspeter Reiter