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Rentier-Mafia

Autor Mikko-Pekka Heikkinen
Verlag Antium
ISBN 978-3-907132-11-1

Als „begnadeter Geschichtenerzähler und Wortschmied“ wird der Autor in Finnland apostrophiert… Hier erzählt er eine Story rund um den regionalen Rentier-Mafia-Paten, der schließlich zum Rentiér wird, wie es scheint… Doch das mag Leser sich selbst er-lesen, auf nahezu 500 Seiten, spielend in Finisch-Lappland

Kultur-Krimi?!
Jedenfalls ein Lokalkrimi, geht es doch um Samen-Land, das sich von Schweden und Norwegen über Finnland bis nach Russland zieht. Bleiben wir im finnischen Teil, wo die Geschichte spielt: „Wir befinden uns in Utsjoki, im nördlichsten Zipfel Finnlands, wo die Sonne im Sommer vier Monate lang nicht untergeht und der Winter fast sieben Monate dauert. Hier regiert der «Rentierfürst» Jonás-Guhtur Nelihanka mit eiserner Hand und mafiösen Methoden. Erpressung, Gewalt und Diebstahl sind beim Nelihanka-Clan an der Tagesordnung, ja sogar vor Mord wird bei Bedarf nicht zurückgeschreckt. Die Polizei sieht dem Treiben scheinbar machtlos zu.“ (z.B. S. 294ff., wo das erläutert wird – eben zum Schutz samischer Kultur  …)Wer hätte derlei erwartet? Doch wer sich das aktuelle Geschehen bei den Rentier-Eignern anschaut… Viel Kultur wird geboten, dazu eine Menge Wortschatz, samischer wie auch finnischer: Da wird Leser gebildet – und zugleich bestens unterhalten, etwa durch die allzu typischen, Klischees bedienenden Rituale der Gangs (S. 262ff. usw.). Denn die Story ist Augen zwinkernd zu verstehen, bietet vielerlei Komik-Situationen – und ist dennoch hart-real zu lesen, Pulp-Fiction-like… Zuglich höchst modern, spielen die Sozialen Medien für einen Teil der Protagonisten doch eine entscheidende Rolle (S. 456f. etc. pp.: Wie viele Likes auf Instagram?).

Bildungs-Roman?
…im klassischen Sinne, die Entwicklung hin zum Erwachsenwerden betrachtend: familiäre Konflikte inklusive. Denn „um die Nachfolge des alternden Rentierfürsten steht es schlecht: Jonás-Guhturs ältester Sohn Jouni-Sammeli zerstreitet sich mit ihm und kehrt der Familie den Rücken. Stattdessen gründet er einen kriminellen Schneemobilclub, die «Vielfraße», und stellt sich der bisher unangefochtenen Macht seines Vaters offen entgegen. Schließlich plant er mit seinen Clubbrüdern eine Anschaffung, die die bisherige Lebensweise der samischen Rentierzüchter radikal auf den Kopf zu stellen droht …“. Wow, kreativ ist dieser Junge, der sich nur Jyppyrä nennen lässt – Leser mag gespannt sein, was alles sich auf der Basis einer Schneemobil- und Quad-Bande (S. 102ff. oder 192f. z.B., gegenüber einem Auto als „Käfig“, gerade die vom Vater geliebten Super-SUVs) als Geschäftsmodell entwickeln lässt, jedenfalls mithilfe tatsächlich einer Sami-Frau, die BWL studiert hat (S. 335 etwa zum ROI = Return-on-Investment)! „Eine fesselnde Schilderung eines knallhart ausgetragenen Generationenkonflikts mit überbordender Situationskomik, skurrilen Figuren und einem guten Schuss Exotik.“ Naja, wer Finnlands Norden schon als exotisch ansieht  … Liebevoll beobachtete Landschaft (Rentiere und Flechten-Bestand inklusive) wie auch Einwohnerschaft, das muss/darf man dem Autor lassen. Und darf den Verlag loben, der solche finnische Literatur seinen Lesern nahebringt, im Sinne von „Antium“ als einem Sehnsuchtsort der alten Römer, der für Entspannung und Genuss stand (siehe „Über Antium“ S. 469). HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de

Hanspeter Reiter