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Rheinischer Kapitalismus

Autor Meurer / Ott / Sprong
Verlag Greven
ISBN 978-3-774-30631-8

„lesezeichen“ heißt die Reihe, in der dieses Buch beim Greven Verlag in Köln erschienen ist – und vielerlei Bezug gerade zum rheinischen Standort und seinem wirtschaftlich-gesellschaftlichen Gepräge findet Leser hier: „Eine Streitschrift für mehr Gerechtigkeit“ haben die Autoren das 200-Seiten-Bändchen untertitelt. Drei Autoren, die sich „in einem Boot“ zusammen gefunden haben, dieses Thema auszuleuchten: Franz Meurer, Pfarrer. Jochen Ott, Kommunal-Politiker. Peter Sprong, Unternehmensberater – sie „klopfen Geschichte, Idee und Wirklichkeit einer am Gemeinwohl ausgerichteten Wirtschaftsweise ab“, so die U4 – und definieren so auch eine Gegen-Position zum rein Effizienz-getriebenen Turbo- oder amerikanischen Kapitalismus, frei von Wirtschaftswaisen sozusagen … Und sind „mit Spaß an der Freud´“ dabei, das merkt Leser am durchaus abwechslungsreichen Text, ein wenig spielerisch zwischen (fast wissenschaftlichen) Einblicken und humorig angehauchten Einlagen springend: siehe etwa die Bezüge zu(r) rheinisch-kölschen Geschichte(n). Einer der Ausgangspunkte ist die Frage, was an Gütern und Leistungen käuflich sei – und was in öffentlicher Hand sein sollte – im Vergleich zur amerikanischen Version: Religionen – Unternehmen (Mitbestimmung!) – Arbeitsentgelte – Wohnraum – ÖPNV – Medien – Bildungswesen – Gesundheits- und Rechtswesen (S. 19ff.). Einen anderen Vergleich holen sich die Autoren aus der Versicherung: Gegenüber dem Individual-Schaden im „maritimen Modell“ bevorzugen sie die Solidar-Variante aus dem „alpinen Modell“ (S. 34ff.). Was macht eine gerechte Gesellschaft aus, fragen sie sich S. 54ff. – und zitieren Martha Nussmann mit dem Capability-Ansatz, die „zehn konkrete Vermögen“ definiert, „für deren Realisierung eine gerechte Gesellschaft sorgen müsse“: Leben – Körperliche Integrität – Gefühlserfahrung – kognitive Fähigkeiten – Vertrauen – Vorstellung des Guten – Sozialität – ökologische Verbundenheit – Freizeitgestaltung – Vereinzelung. Am Beispiel des Kölner Ortsteil Chorweiler, einem sozialen Brennpunkt, diskutieren die drei Autoren das Für und Wider von Wohnungen im öffentlichen Besitz und des sozialen Wohnungsbaus sehr eindringlich und nachvollziehbar („Die eigenen vier Wände: Ein handelbares Gut?“ S. 72ff.) Dass staatliche Fürsorge auch deutlich übertrieben sein kann, zeigen sie anhand der Verkehrs-Sicherung via Schilderwald: Gerade kürzlich ging auch wieder ein Beispiel durch die Presse, einer Gemeinde, die alle Schilder abgeschafft hat und deutlich weniger Unfälle zu verzeichnen hat. Vorbild sind hier die Niederlande (S. 96f.) – wie übrigens auch beim Thema Demenz-Dorf, nebenbei bemerkt. Die Abwrack-Prämie nennen sie als „eine punktuelle staatliche Intervention – eine typische Maßnahme des Rheinischen Kapitalismus also –„,“die sich zum Vorteil aller Beteiligten auswirkt“ (S. 119). Und lt. des Instituts der deutschen Wirtschaft IW gilt: „Unsere Wertschöpfungsketten sind für den Erfolg der deutschen Unternehmen noch immer ein Schlüsselelement“, Kooperation eben (S. 129), statt primärer Konkurrenz! Ein weiteres Beispiel aus Köln wird als Beispiel dafür genannt, an die Stelle staatlicher Fürsorge Eigen-Initiative zu setzen resp. das eine durch das andere verstärkend zu ergänzen (S. 150ff.). Und was ist zu tun, wie „kann die Welt rheinischer werden“? Darauf antworten die Autoren mit 3×10 Geboten (S. 172ff.), nämlich für Politiker, für Unternehmer und Manager und für Bürgerinnen und Bürger: Denn auch hier gilt, letztlich sind alle in einem Boot … HPR

Hanspeter Reiter