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Robinsons blaues Haus

Autor Ernst Augustin
Verlag C.H.Beck
ISBN 978-3-406-62996-9

Eine moderne „Robinsonade“ ist das gerade nicht, wie sie ja mehrfach existiert, in der Tradition von Daniel Defoe, in unterschiedlichsten Perspektiven und mit variierenden Protagonisten und Kontexten. In diesem Roman geht es vielmehr um den Rückzug auf sich selbst innerhalb dieser Zivilisation in Mitteleuropa, bis hin zum Tod. Der jedenfalls kommt gleich zu Anfang ins Spiel – und tritt am Ende erneut auf, sehr modern: Er darf die „erase-„Taste drücken … Vielleicht ist das Ganze ja autobiografisch, jedenfalls ist der Autor seit drei Jahren erblindet, wie der Klappentext verrät. Wie auch die Information, er sei als Arzt und Psychiater tätig gewesen, u.a. in Kandahar. Interpretiert wird diese Wanderung durch Rückzugs-Räume jedenfalls vom Verlag selbst als „Fabel vom letzten Robinson in einer Welt nicht mehr vorhandener Freiräume. In Grevesmühlen, in blauer Südsee, im Londoner Kerker, im Spiegelhaus auf dem Wyman Tower.“  Das sind dann durchaus in sich verschlossene Kammern, als Einzelperson-Bunker interpretierbar, von der Außenwelt abgeriegelt, nur vom Besitzer begehbar, immer mit allem Notwendigen ausgestattet, ähnlich möbliert. „Als ich elf oder zwölf war, hatte mich mein Vater eines Tages beiseite genommen und gesagt: Du wirst es einmal schwer haben, mein Sohn, du wirst keine Freunde haben, du wirst entdecken, dass du allein bist, dass du dich auf einer Insel befindest – merke dir, mein Sohn – inmitten eines Ozeans von Menschen über Menschen, die alle laut reden und alle etwas anderes meinen. Die ihre Seele daran setzen werden, dich von dieser Insel – so selig sie immer sein mag – zu vertreiben. Es sind sechs Milliarden, alle miteinander …“ (S. 5f.). (Übrigens im Original in alter Rechtschreibung – auch eine „Insel“?!) Hmm, negative Affirmationen? So ist dieser Roman eine Mixtur aus modernem Märchen und ? Psychoanalyse, in diesem Sinne auch aus der Berufs-Perspektive hoch interessant für Coaches und Trainer – oder geht es schlicht um etwas wie Work-Life-Balance? „Es gibt ja noch den Knopf an der Tastatur, den ich drücken kann … und … wird alles gelöscht sein … alle Bankkonten und Depots … Nicht zu reden von Goldbeständen … Nur die Liebe, blank und bloß und ohne Passwort, die Liebe kann ich mitnehmen.“ (S. 317f.)- HPR

Hanspeter Reiter