Souveräne Brückenbauer
Autor | Helga Pfetsch |
Verlag | Sprache im technischen Zeitalter Böhlau |
ISBN | 978-3-41222-284-0 |
Das Jubiläum im wörtlichen Sinne: 60 Jahre VdÜ – wird von zahlreichen Aktiven des Verbandes in acht thematischen Kapiteln gefeiert, die mal eher sachlich, mal sehr persönlich, mal mehr erlebnisbezogen und auch gefühlig geraten sind und dem Leser einen nachfühl- und nachvollziehbaren Einblick in Wohl und Wehe, in Freude und Leid der Übersetzerwelt schenken.
Die acht Kapitel ranken sich um: „Chronik, Rückblick, Erinnerung“; „Meilensteine“ (berufspolitische Etappen und Erlebnisse), Vermutungen und Eindrücke über das Fremd- oder Außenbild: „Blick von außen – wie uns die anderen sehen“; Berichte über „Erreichtes, Errungenschaften“; Einblicke in und Erläuterungen rund ums „Übersetzen und Medien“; Erfahrungen und anregende Gedanken zu „Übersetzungskritik“ sowie zur „Übersetzerpraxis“ und schließlich Ausführungen zur „Übersetzung als Kunst“.
Insbesondere die Aufsätze, die sich mit Übersetzung und den Voraussetzungen für (vornehmlich Literatur-) Übersetzungen befassen, sind faszinierend und lehrreich. Nicht nur, um anerkennend die Namen der Übersetzer eines Romans, den man gerade liest, oder einer Biographie, an der man sich erfreut, oder ein Essay oder Gedicht, an dem man gedanklich weiterarbeitet mehr als bisher zu schätzen und seinen bzw. ihren Namen im Gedächtnis zu behalten. Sondern auch, um sich im wörtlichen Sinn beeindrucken zu lassen von den Voraussetzungen, die es braucht, etwa ausgiebige Belesenheit in der Literatur und Kultur (!) des Landes, aus dessen Sprache zu übersetzen ist, oder eine phantasiereiche und beharrliche Recherche noch bis etymologische und historische Gewordenheit von Idiomen, Metaphern hinein. Auch der Aspekt von Emotion oder Intuition und Rationalität („Übersetzen zwischen Bauch und Kopf“, wie es Frank Heribert nennt) und den damit verbunden Fragen bis hin zum Mut zu Improvisation werden erörtert sowie das Verhältnis, die Bedeutung und Notwendigkeit bzw. Nichtnotwendigkeit wörtlicher bzw. sinngemäßer Übersetzung bis hin zur Kreation von Bedeutung und Sinn.
Der Band sensibilisiert für die enormen Leistungen von Übersetzern; er überzeugt davon, dass diese Aufgabe keinesfalls Maschinen übernehmen können, weder heute noch zukünftig – jedenfalls solange der Anspruch bleibt, möglichst sämtliche Bedeutungs- und Sinnbotschaften des Originals zu behalten und dem Leser zugänglich zu machen.
Der Band macht auch dankbar: Dank an die Menschen, die sich dieser komplizierten, mit höchster Freude und auch tiefster Verzweiflung einher laufenden emotional, kognitiv, rational anforderungsreichen und Beharrlichkeit und Fleiß abnötigenden Tätigkeit mit eben dem Anspruch widmen, Literatur aus fremden Sprachen so zugänglich zu machen, dass der Leser in den Genuss kommt, eine „fremde Zunge“ verstehen zu können.
P.S. Auch Weiterbilder, Therapeuten und andere Spezialisten, die andere Menschen beraten, trainieren, begleiten, sollten sich diesen Band zu Gemüte führen. Denn was tun sie anderes, als zu übersetzen?
Hanspeter Reiter, www.dialogprofi.de