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Tage des Vergessens

Autor Yvonne Zitzmann
Verlag Müry Salzmann
ISBN 978-3-99014-214-1

„Eine außereheliche Affäre, die Last frühen Ruhms, die Schuldgefühle eines KZ-Überlebenden – glücklich ist, wer vergisst“ ist die Grund legende These hinter diesem dokufiktionalen Roman, wie von der Autorin kurz erläutert (S. 280). Eine Geschichte voller Erinnerungen, die entschwinden sollen – mit einem überraschenden Plot. Oder auch nicht… Wortspiele bringen Humor in arg ernste Storys, und sei es „pörfekt“ als grammatikalische Zeit im Deutschen wie als englisches Wort. Oder Rum vs. Ruhm …

Weg mit der Erinnerung
… oder auch „der Weg der Erinnerung“, die jene geht?! Ein Medikament, das gegenteilig wirkt gegenüber anderen, die Alzheimer verzögern sollen? Jedenfalls viele Themen rund ums Gedächtnis sind geboten: „Erinnerungen verschönern das Leben, aber das Vergessen allein macht es erträglich. (Honoré de Balzac) In einer ehemaligen Klinik forscht Professor Marx an der Pille für gezieltes Vergessen (während im Stockwerk darunter an einem Mittel gegen Alzheimer gearbeitet wird). Marx bietet Marian Wechsler die Stelle eines Studienleiters zur Erprobung seiner Pille an. Worauf er noch warte, drängt seine Frau Eva, immerhin sei er Psychologe und Wissenschaftler, und auch das Geld könnten sie gut brauchen. Auf längeren, nicht ganz uneigennützigen Druck Evas stimmt Marian zu.“ Kaum absehbare Folgen ausblendend… „Mit sieben Probanden geht es los. Sie wünschen nichts sehnlicher, als einen Abschnitt aus ihrem Leben endgültig hinter sich zu lassen. Als bekannt wird, dass Professor Marx schon lange an dem Wirkstoff forscht und es vor Zeiten bereits zu Auffälligkeiten gekommen ist, stellt sich die Frage, ob die Pille überhaupt auf den Markt kommen soll … Dieser packende Debütroman der vielversprechenden Autorin Yvonne Zitzmann kreist um das brisante Thema, was medizinisch und wissenschaftlich noch zu verantworten ist. Er basiert auf tatsächlich in der DDR- Zeit von westlichen Pharmakonzernen durchgeführten Forschungen.“ Trotzdem ein durchaus überlegenswertes Thema, gedacht fürs Vergessen von Traumata … Wirksame Medikamente – im Fokus gerade in Zeiten wie diesen! Doch Menschen-Experimente?! Und welche Erinnerungen sind echt (False-memory s. S.93f., S. 120f.), Mode-Pille à la jener „danach“ (S. 217f.)?!

Indirekte Rede
… ist die über weite Strecken bevorzugte Text-Sorte der Autorin. Was mich an „Sprachwandel“ erinnert, lassen wir Gendern mal beiseite (Gottseidank hier fehlend). Doch neben „weil“ statt „denn“, Dativ statt Genitiv (bei „wegen“ & Co.) sowie weiterer Wandel fürs Sprach-Ökonomische hat sich inzwischen der deutsche grammatikalische Konjunktiv II verabschiedet, zu Gunsten eines generalisierten I. Und wenn das schon bei gehobener Literatur passiert …
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Hanspeter Reiter