Uli der Knecht
Autor | Jeremias Gotthelf |
Verlag | Diogenes |
ISBN | 978-3-257-07253-2 |
„Eine Gabe für Dienstboten und Meisterleute (Gotthelf Zürcher Ausgabe)“ liefert die Original-Version als nur gering angepasste Version mit mehr als 500 Seiten, inkl. den lesenswerten Anhängen.
Das Leben eingangs des 19. Jahrhunderts
…auf dem Land in der Schweiz hat der Autor hier aufleben lassen, geschildert als eine Art Bildungs-Roman an der Person des Uli: „Uli trinkt zu viel und prügelt sich mit anderen jungen Männern im Dorf. Er glaubt, als Knecht zu einem Leben in Armut verdammt zu sein. Sein Meister spricht ihm Mut zu, und bald wird aus Uli ein anderer Mann. Von den Frauen wird er umschwärmt, von den Männern zu Geschäften gedrängt. Bis Vreneli in sein Leben tritt. Aber erst muss er lernen, den eigenen Weg zu erkennen – und zu gehen.“ Und dieser Wege ist durchaus dornenreich – und letztlich erfolgreich. Einmal, weil Uli erwachsener wird – zum Anderen, weil sein Chef ihn einfühlsam führt und über ein Jahrzehnt hindurch entwickelt – resp. ihn sich selbst entwickeln lässt: S. 96ff., 180ff. z.B. mit vielerlei Lehrreichem, das allerdings durchaus auch mal oberlehrerhaft daher kommt. So ist Uli schließlich in der Lage, an neuer Stelle selbst geschickt das Ruder zu übernehmen, das ihm sein neuer Herr eigentlich verweigert, der selbst eben eher Laissez-faire als Pseudo-Führungs-Stil hegt und pflegt, siehe S. 214ff., 248ff. etc. Insofern mag dieser bald 200 Jahre alte Roman durchaus als Blaupause rund ums Thema „Führung“ dienen, für Weiterbildner jeglicher Couleur, auch im 21. Jahrhundert! So belehrend viele Passagen daher kommen, so humorvoll kann Gotthelf sein, siehe S. 320 „das schwefelgelbe Ding“ über in entsprechender Farbe gekleidetes Mädchen.
(Damals „üblicher“?) Antisemitismus
…deutet sich übrigens mehrfach an, siehe 211, 213, 221, 367. Dass derlei vermeidbar gewesen wäre, auch zu „seinen“ Zeiten, zeigt sich im Vermeiden von Flüchen wie „Sch….“, die verkürzt werden. Weder in der Editorischen Notiz von Philipp Theisohn (S. 483ff.) noch im Nachwort von Peter von Matt (S. 471ff.) findet sich eine Anmerkung dazu – schade eigentlich, gerade in Zeiten wie diesen…
Ein Bildungs-Roman
…darf dies durchaus genannt werden, geht es doch ums Erwachsenwerden von Uli – wie auch von Vreneli, die allerdings vom Moment des Eintretens in die Geschichte schon deutlich erwachsener erscheint, in sich selbst ruhend. In den Anhängen (s.o.) wird das verdeutlicht, etwa mit Zwischen-Überschriften wie „Ein Mann sucht die Aufgabe seines Lebens“ oder „Ein Schlüsselwerk entsteht“ (S. 471). Was die Wahl des Textes angeht, gibt´s mehr S. 494ff. „Zur Textgestalt“. Und auch dies möchte ich anmerken:
Wieviel hat Thomas Mann geklaut?
Wohlgemerkt, diesseits eines Plagiats = Übernahme von Texten. Doch zumindest finden sich Passagen dramaturgischer Gedanken im „Uli“, die mich stark an die Buddenbrooks erinnert haben, geschrieben mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem erstem Uli-Erscheinen 1841 – konnte der spätere Nobelpreisträger also durchaus gekannt und als interessant wahrgenommen haben: Ein betrügerischer „Baumwollenhändler“ heiratet die Tochter des Bauern-Hauses Elisi (S. 354ff. usw.) – siehe Tonys erste Ehe mit Grünlich – und gleich damit verbunden die zweite mit Permaneder und dessen nebenehliche Beziehungen. Und dann wird Uli schon davor gewarnt, was alles schiefgehen könne, mit eigener Landwirtschaft, als es ums Übernehmen eben dieser in Pacht geht (S. 430 und davor). Wenn es auch hier um Bauern, dort um Händler geht, erscheinen die Parallelen doch beachtenswert, wie ich finde… Nun, da darf Leser auf die Fortsetzung gespannt sein, ob sich mehr davon findet, in „Uli, der Pächter“, ebenfalls bereits erschienen, angekündigt mit über 600 Seiten…HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de