Umlaufbahnen
Autor | Samantha Harvey |
Verlag | dtv |
ISBN | 978-3-423-28423-3 |
„Von oben betrachtet sieht die Welt gleich ganz anders aus“ als nachdenklich machendes Begleiten von 16 Umlaufbahnen auf deutlich über 200 Seiten. Ausgezeichnet mit dem Booker Prize 2024 und Hawthornden Prize for Literature 2024, nominiert für den Orwell Prize for Political Fiction 2024 sowie den Ursula K. Le Guin Prize 2024.
Die 6 in der Raumstation
…könnte mal eine Verfilmung titeln, angelehnt an einen SW-Klassiker … Die Perspektiven dieser Vertreter diverser Raumfahrt-Nationen heutiger Zeit lässt die Autorin erlebbar werden, über das reine Ausschau halten hinaus – also inkl. denken, träumen, tun und sprechen: „Sechs Astronauten schweben in einer Raumstation durchs All. Den Planeten Erde umkreisen sie in 90 Minuten, sechzehnmal in 24 Stunden. Die zwei Frauen und vier Männer aus ganz unterschiedlichen Nationen arbeiten, essen und schlafen auf engstem Raum – und doch ist alles losgelöst vom Alltag, Schwerkraft und Zeitempfinden sind außer Kraft gesetzt. Was passiert, wenn man seine Heimat nur aus weiter Ferne durch ein kleines Fenster sieht? Wie verändern sich Denken und Fühlen? In dem Zeitraum von nur einem Tag, während die Sonne sechzehnmal auf- und untergeht, betrachtet dieser ungewöhnliche, kraftvoll poetische Roman die großen und kleinen Fragen der Menschheit und bringt uns der Schönheit des Universums ganz nahe.“ Doch genauso all das, was diese Menschen bewegt, in ihrem Inneren – bis hin zu jenen Veränderungen eben in ihrem Inneren durch den Aufenthalt im All (z.B. S. 46f. usw.). Punktuell ins Träumen verpackt (u.a. S. 196ff.). Nun, Sehnsüchte werden wahr – und werden beim Wahrwerden durch andere verdrängt, die in diesen Monaten der Erdferne eben dies bleiben müssen – Sehnsucht.
Beobachter beim Beobachten
Die besondere Beobachter-Rolle wird auch durch erinnerte Situationen reflektiert, bei denen es (für mehrere der Personen) eben darum geht: Wie kommt ein Foto, eine Betrachtung überhaupt zu Stande (S. 98f. z.B.)? Und manches Mal ist der einzige Mensch auf einem Bild eben – der Fotograf (S. 73). Was mich naturgemäß auch an den Beobachter-Effekt (in der Physik, siehe Quanten) oder auch den Hawthorne-Effekt (in der Psychologie) erinnert…
Anders als in der aktuellen Realität gibt´s parallel eine weitere Raum-Aktivität, eine neuerliche bemannte Mond-Mission nämlich, zwischenzeitlich ja verschoben: Quasi als zusätzliche Perspektive in der Ferne, im Grunde virtuell. Bleibt die Frage aller Fragen: Wie schreiben wir die Zukunft der Menschheit – mit dem goldenen Füller von Milliardären (S. 171, auf Bezos & Musk anspielend)? Was mich wieder kehrend daran erinnert (hat), dass die Themen rund um Raumfahrt im Grunde die gleichen (vielleicht gar die selben …) sind wie vor gut 50 Jahren, als ich nahe dem Abitur eine Jahres-Arbeit in Deutsch über deren Für und Wider geschrieben habe… Doch wenn damals die erste (wie auch die vorläufig letzte) bemannte Mondlandung fast schon wieder Geschichte war, steht uns die nächste nach langer Pause wieder bevor… Ein nachdenklich machendes, zur Reflexion anregende Lese-Erlebnis!
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