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Ungarn verstehen

Autor Werner Patzelt
Verlag LangenMüller
ISBN 978-3-784-43678-4

„Geschichte – Staat – Politik“ nimmt der Autor in den Blick, mit umfassender Analyse mit an die 500 Seiten

Diktatorisch und illiberal
… ist der langjährige Minister-Präsident unterwegs, nach mehrheitlicher Wahrnehmung – und eigener Aussage. Patzelt macht sich auf den Weg, ihm ein wenig gerechter zu werden. Das erscheint ihm nötig, denn „glaubt man den deutschen Leitmedien, ist das Urteil über Ungarn schnell gefällt. Aber handelt es sich bei dem von Viktor Orbán regierten Land wirklich um eine Halbdiktatur voller Korruption? Ein knappes Jahr lang begab sich der Politikwissenschaftler Werner J. Patzelt vor Ort auf Spurensuche. Welche geschichtlichen Ereignisse prägten das Land und seine Eliten? Wie funktioniert das politische System und wie sind die Positionen in der hitzigen Debatte um den heutigen Charakter Ungarns begründet? Patzelt schließt die Lücke zwischen bloßen Wahrnehmungen und wirklichem Wissen. Wer sich ein fundiertes Urteil über Ungarn bilden möchte, kommt an diesem Buch nicht vorbei.“ Da ist was dran – und als studierter Finnougrist mit „hautnahem“ Ungarn-Bezug hat mich dieses Sachbuch natürlich interessiert. So erinnere ich heftige Probleme an der ungarischen Grenze um 1984, als meine damalige Freundin (gebürtige Budapesterin) und ich versuchten, für jemand Bücher zu schmuggeln – doof halt…

National vs. nationalistisch
… scheint mir eine wichtige Dichotomie, die zu beachten ist: Nachvollziehbar ist die Motivation, ein Jahrtausend wechselvoller Geschichte mit kontinuierlich wechselnder Fremdherrschaft endlich vergessen zu machen, zugunsten eigenständiger Nation. Doch einerseits jeglichen Fremd-Einfluss abzulehnen (Flüchtlinge?!), andererseits EU-Subventionen mit offener Hand zu nehmen, erscheint mir a bissal egoistisch. Und zudem andererseits die ungarische Diaspora für Eigennutz zu betonen, dito. Dass Korruption schon vor Orbán vorhanden war, die Sowjet-Zeit quasi verlängernd, ist ein schwaches Argument, die aktuelle zu verteidigen, die stark auf ihn, seine Verwandtschaft und seine Seilschaft zugeschnitten ist. Doch Leser mache sich ein eigenes Bild, der Reihe nach:

Inhalte kurz gefasst
Der Autor versteht es, einerseits einen ganzheitlichen Blick zu ermöglichen und andererseits detailreich Motivation handelnder Personen, Parteien und Institutionen zu präsentieren, seien sie pro oder contra Orbán, siehe: Medien. Fünf Kapitel sind geboten, zwischen „Warum dieses Buch?“ und „Was nun?“, einer durchaus gelungenen Zusammenfassung mit Ausblick: 1 Das deutsche Ungarnbild 2 Ungarns Geschichte 3 Ungarns Regierungssystem 4 Ungarns Politik 5 „Orbán-Land“ (zunächst „!“, danach „?“). Nun, diese Lektüre hat mir durchaus neue Erkenntnisse gebracht, wenn auch eher mein „Vor-Urteil“ bestätigend. Wer will, verschaffe sich eigene Eindrücke: sehr lesenswert! Auch wegen der vielerlei Studien-Statistiken (leider meist nur verbal zitierend statt mit Tabellen, diese gelegentlich) und der diversen Literatur-und Quellen-Hinweise. HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de

Hanspeter Reiter