Was vom Tage übrig blieb
Autor | Kazuo Ishiguro |
Verlag | Heyne |
ISBN | 978-3-453-42160-8 |
Literatur-Nobelpreis 2017: Das lässt Leser aufmerksam werden auf ein Oeuvre, das seinesgleichen sucht … Dies ist einer seiner besonders bekannten Werke.
Standesgemäßes Leben
Die Hauptperson, zugleich Erzähler, blickt auf ein ereignisreiches Leben zurück – zugleich allerdings auch ein gleichförmiges: „Seit Jahrzehnten dient Stevens dient als Butler auf Darlington Hall. Er sorgt für einen tadellosen Haushalt und ist die Verschwiegenheit in Person: Er hat sein Leben voll und ganz in den Dienst seines Herrn gestellt, niemals würde er auch nur ein Wort über die merkwürdigen Vorgänge im Herrenhaus verlieren. Jetzt bricht er zum ersten Mal aus seiner gewohnten Welt aus, um seine ehemalige Kollegin, Miss Kenton, in Cornwall zu besuchen. Die Fahrt wird für Stevens zu einer Reise in die Vergangenheit und schließlich auch zu einer Reise zu sich selbst.“ Und doch auch eine, die ihm die Augen öffnet, und sei es „nur“ für Landschaften und Menschen seiner näheren Umgebung, seiner Heimat.
Mehrere Erzähl-Ebenen
… sind eng miteinander verwoben: Mr. Stevens erinnert sich aufgrund je aktuellen Geschehens an Vergangenes – nun, so arbeitet unser Gedächtnis ja tatsächlich! Da sind die 1920-er Jahre mit vielerlei politischen Treffen im Herrenhaus, mit Besuchern, deren Namen und Funktionen Leser durchaus kennen dürfte. Dass Lord Darlington (der wohl fiktiv ist) dabei in seinem Bestreben nach Ausgleich zwischen Völkern und Nationen Personen auf den Leim geht und schließlich sein Renommee verliert, berichtet sein Butler mit vorsichtigem Hinterfragen, wenn er auch zuzeiten nur loyal Folge geleistet hat. „Würde“ ist das zentrale Ethos eines Butlers auch in den 1950-er Jahren, wenn auch Wandel eingetreten sein mag, mit dem zurecht zu kommen, er sich müht – was sich auch zum Schluss zeigt: Nun hat er ja einen amerikanischen „Herrn“, der Darlington Hall übernommen hat.
Die Rahmenhandlung
Was er sich nie zugestanden hat und was immer mitschwingt, bis zuletzt, ist der Verzicht auf ein Leben zu zweit, das möglich gewesen wäre: „Das kritische Portrait einer von Klasse und Hierarchien geprägten Gesellschaft und eine bittersüße Liebesgeschichte, erzählt von einem, der seinen Stand nie hinterfragt und der nie auch nur geahnt hat, dass er liebte.“ … und geliebt wurde, ist zu ergänzen. Wenn das auch kennzeichnend sein mag, ist das doch „nur“ ein Auswuchs erlernten Verhaltens, das er sogar gegenüber dem eigenen Vater in dessen Alter zeigt, der genau dieses erwartet hätte, das wird dem Leser klar. Emotionen oder Disziplin, das ist für Stevens keine Frage… Übrigens auch der erkennbar passenden Sprache wegen ein wahres Lese-Erlebnis, von den gedanklichen Anstößen ganz zu schweigen! HPR