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Was ist den Menschen gemeinsam?

Autor Christoph Antweiler
Verlag sonstige
Seiten 391 Seiten
ISBN 978-3-534-20096-2
Preis 59,90

Universalien der Kulturwissenschaft ist das zentrale Thema, mit dem der Autor sich durchaus wissenschaftlich auseinandersetzt. Dass ich es „trotzdem“ wage, den Titel Trainern anzudienen, hat mehrere Gründe: Interkulturelle Aspekte plagen heutzutage jeden, der via Internationalisierung seines Geschäfts („Globalisierung“) mit anderen Kulturen zu tun hat – ob Osteuropa, Südeuropa, Asien, USA etc. pp. Gleiches gilt intern deutsch bleibend – immerhin sind wir Einwanderungsland! Wechselseitiges Verständnis hat dabei offenbar mit mehr als nur mit Sprache und Religion zu tun, wie etwa anhand von „Beispielen wie Inzesttabus, Höflichkeitsvorstellungen, Hierarchien und Nahrungstabus“ erkennbar wird. Vonseiten der Sprachwissenschaft kommend, die eine lange Tradition der Universalien-Diskussion mit sich führt (wie auch in dem dicken Band mehrfach angesprochen), war ich neugierig, wie das Thema in Kulturwissenschaft und Ethnologie umgesetzt wird. Und siehe da, besonders interessant wird es für Interkulturelles naturgemäß dort, wo eher Unterscheidendes zutage tritt – oder es Überschneidungen, also: Übereinstimmungen, zwischen einzelnen Kulturen gibt, ohne dass Universalien nachweisbar würden (= gilt für (fast) alle (bekannten) Kulturen auf dem Planeten Erde).

Vorgehensweisen mitzumachen, öffnet die Augen für andere Formen der Beobachtung – nämlich: vorurteilslose. Das war nicht immer so, in diesen Wissenschaften, auch darauf geht Antweiler ein: Aus der Beschäftigung mit Zivilisation, Evolution, zeitlicher Vorrangigkeit und Emanzipation wurde in den 1920er Jahren jene mit Anderen – später kam das Verhältnis von Welten / Lebenswelten und Kulturen ins Blickfeld. In postkolonialen Zeiten ist die Überschrift „Der Mensch ist in vielen Kulturen zu Hause“…Universelles versus Partikulares  (ergo: Differenzierendes), Mensch als Naturwesen vs. Kulturwesen, Realismus (materialistischer Ansatz) vs. Konstruktivismus (interpretativer Ansatz) sind die Dichotomien im Widerstreit (S. 130f.). Betrachtet werden etwa: Art der Universalität, Reichweite der Variablität, Verhältnis Inhalt:äußere Form, Weltkonzept, Wertsystem, Struktur der Sprachen, Bestimmungsgrad der Weltanschauung und Möglichkeit interkulturellen Verstehens. Modern (synthetisch) geht der Blick auf Kunst (und Performanz) und auf literarische Univeralien und solche visueller Kultur – etwa „Mythen der Welt“, die sich durch Religionen wie Märchen ziehen; gerne hätte ich hier die Sintflut ergänzt…

In diesem Kapitel „Unversalien im Überblick“ ist für die Wirtschaftspraxis (und damit für Trainer, Berater, Coaches…) die Sammlung konkreter Ansätze ab S. 184 besonders interessant, siehe etwa „Persönlichkeit und gewalttätiges Handeln“ oder „Gefühlsausdruck und Emotionserkennung“, weiter „Lächeln und andere Interaktionsuniversalien“ oder „Sexualität, Gender und familiäre Sozialisation“: So wird dem Leser vielleicht auch (erneut) klar, warum Fantasy-Themen in den Medien so exzellent verkaufbar sind – siehe Harry Potter oder auch Narnia, als Buch oder als Film (Erwachsenwerden mit Iniationsriten…). „Universale Typen der Konfliktregelung, des Rechts, der politischen Führung und sozialer Werte“ bringt – ähnlich wie die anderen Nennungen – zudem eine Fülle von Literatur-Querverweisen: Hier kann vertiefen, wer dies möchte, statt mühsam zu googeln… (Die Bibliografie umfasst beinahe 60 Seiten, das ausführliche Glossar deren 20 – das macht ein Handbuch auch aus!) – Kulturvergleich, Hinweise auf Begründung der Einschränkung potenzieller Vielfalt – und im Fazit der Hinweis darauf, dass Kultur-Universalien auf gesellschaftlicher Ebene greifen, nicht etwa auf der des Individuums – das macht zugleich deutlich, vorsichtig mit der Idee evt. universeller Gleichheit umzugehen…

(So kommt dieses Buch ganz anders daher als offenbar ein „Handbuch interkulturelle Kommunikation“, dessen Besprechung in der Süddeutschen Zeitung vor einiger Zeit guten Gewissens als „Verriss“ zu bezeichnen ist.)

HPR reiterbdw@aol.com www.reiter-medienconsulting.de

Hanspeter Reiter