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Weitblick

Autor Christine Scheel/Gerhard Engel
Verlag Claudius
ISBN 978-3-532-62814-0

„Einsichten auf dem Weg über die Alpen“ ist auf den ersten Blick ein Reisebericht – und zwar von meinem Klassenkamerad und seiner Frau. Doch welchem Genre wird es gerecht (oder umgekehrt) – Belletristik oder Sachbuch? Stimmungsvoll und zugleich stimmig, in starker Metaphorik, je Erleben philosophierend, tatsächlich klassisch „über Gott und die Welt“ – und über uns, „den Menschen“, seiner Rolle, seinem (Über-)Leben.

Untrügliches Gespür
… für die Schönheit der Berge und zugleich spiritueller Dimensionen dieses Gehens (wie Weilens!) in großen Höhen, dem Ursprung von Natur und Menschheit noch nah. Denn „Berge sind Sehnsuchtsorte. Gerade der urbane Mensch sucht die Herausforderung des Gipfels. Die langjährige Bundestagsabgeordnete und Grünen-Ikone Christine Scheel durchquert mit ihrem Mann jedes Jahr die Alpen. So ist sie nicht nur Zeugin einer schleichenden Verwandlung der ursprünglichen Landschaft in eine Eventkulisse, sondern auch der greifbaren Folgen des Klimawandels. Aus diesen Beobachtungen entfalten die Autoren eine bewegende Schöpfungsethik.“ Z.B. S. 57ff. – und mit vielerlei Zitaten, mit Erinnerungen, mit Anstößen für ihre Leser. Als Büchlein im Mitnahme-Format, denn auch als Reiseführer ist es gedacht, beschreibt in Kurzform die jeweiligen Touren mit den nötigen Daten.

Verbunden mit Angeboten
… denn die beiden (und ihre Freunde mit dabei) sind sich mehr als nur bewusst, dass „sich“ etwas ändern muss, wir etwas ändern müssen – sie haben es getan, sind politisch dafür eingetreten – und tun es weiterhin: Das findet Leser in immer neuen „Nebenbemerkungen“ zu Ernährung, Kleidung, Einkaufsstätten & Co. – und beim Thema „Übernachten“ in der Natur. Weil: „Berge gewähren Weitblick über den Tag hinaus. Scheels Buch kreist deshalb nicht nur um wichtige politische Weichenstellungen – Klima, Globalisierung, Europa – sondern auch um spirituelle Erfahrungen beim Gehen in der Höhe. Welche Grenzen hat menschliches Wollen und Handeln? Wie gelingt Meditation im Angesicht der imposanten Natur? Und wie verändern Grenzerfahrungen positiv den Blick auf das Leben? Es ist eine Einladung an Leserinnen und Leser, die Etappen der Alpenüberquerung gedanklich mitzugehen. Oder einmal selbst das Denken im Freien zu wagen.“ Das Erinnern ans Werden dieser gigantischen Felsformationen mag ein Nachdenken über die Rolle des Menschen anstoßen (S. 73ff. z.B.). Der Vergleich von Fels-Gipfeln mit politischen weiter (!) unten (S. 98ff.) führt den Leser naturgemäß auch zu mehr oder weniger hilfreichen Klimagipfeln: Sollten die mal an anderen Stätten sein, in freier Natur?! Und natürlich kommt der bewusste Verzicht digitaler Mittel ins Spiel (etwa S. 108f.) … Andere Perspektiven findet Leser hier, im Vergleich zu manch zielorientierter Alpen-Überquerung: Sich besinnen auf sich selbst ist hier schlicht natürlich statt allzu bewusst gewählt. Leser lasse sich anregen… HPR

Hanspeter Reiter