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Wer die Nachtigall stört…

Autor Harper Lee
Verlag Rowohlt
ISBN 978-3-498-03808-3

Zum Erscheinen des Nachfolge-Romans von Harper Lee, der eigentlich sein Vorläufer ist, haben die Rezeptionisten auch jeweils das lange bekannte Werk der Autorin in den Blick genommen, beide vergleichend. Darauf verzichte ich, werde vielmehr „Gehe hin, stelle einen Wächter …“ ebenfalls besprechen … Worum es rein inhaltlich geht, hat der Verlag wie folgt zusammen gefasst: „Harper Lee beschwört darin den Zauber und die versponnene Poesie einer Kindheit tief im Süden der Vereinigten Staaten in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts. Die Geschwister Scout und Jem Finch wachsen in einer äußerlich idyllischen Welt heran, erzogen von ihrem Vater Atticus, einem menschenfreundlichen Anwalt. Auf den weiten Rasenflächen des fiktiven Örtchens Maycomb, Alabama, auf denen weiße Villen und tropische Bäume stehen, erfahren sie die Freuden und Geheimnisse des Heranwachsens. Doch durch die alte Gesellschaft des Südens ziehen sich tiefe Risse: zwischen Schwarz und Weiß, zwischen Arm und Reich. Als Scouts Vater, der Anwalt, die Verteidigung eines schwarzen Landarbeiters übernimmt, der angeblich ein weißes Mädchen vergewaltigt hat, erfährt die Achtjährige staunend, dass die Welt viel komplizierter ist, als sie angenommen hat. Tapfer versucht sie, die demokratischen Gerechtigkeitsideale ihres Vaters gegen alle Anfechtungen hochzuhalten, und gerät selbst in Gefahr … Menschliche Güte und stiller Humor, aber auch ein scharfer Blick auf die Welt durch Kinderaugen zeichnen diesen Roman aus, und vor allem: eine zeitlose, unverminderte Aktualität.“ Dass das Erscheinen dieses Buches – neu erarbeitet auf der Basis des Manuskripts, das gerade neu erscheint, sozusagen 60 Jahre verspätet – in die Zeit des Aufbruchs der Schwarzen in den USA fiel, hat ihm sicher Schwung verliehen. Dass Themen wie Schuld und Unterlassen gerade in Deutschland besondere Rezeption erfährt, ist ebenfalls nachvollziehbar. Ich selbst fühlte mich bei der Lektüre dieses fröhlich-locker geschriebenen, plaudernden Textes stark an Tom Sawyer erinnert, ohne dies zu überprüfen – und stelle nun fest, beim Schreiben dieser Rezension, dass zumindest der deutsche Verlag diesen Bezug durchaus benennt: „eine Geschichte vom Verlust der Kindheit und von den bitteren Erkenntnissen im Prozess des Erwachsenwerdens, und es ist ein Fanal für Gerechtigkeit und Gleichberechtigung.“ Scheuen würde ich mich allerdings, jenes Werk als „ihm ebenbürtig“ (nämlich „Wer die Nachtigall stört …“) zu bezeichnen, hatte bei diesem Erscheinen der „Vorläufer“ doch schon ein paar Jahrzehnte auf dem Buckel … Wer das eine oder andere dieser Themen vertiefen möchte, lese hier: http://www.rowohlt.de/artikel/3257009 – oder auch (noch ausführlicher) hier: http://www.amazon.de/Wer-die-Nachtigall-st%C3%B6rt-Harper/dp/3498038087/ref=sr_1_1?s=books&ie=UTF8&qid=1437628903&sr=1-1&keywords=wer+die+nachtigall+st%C3%B6rt. – Ein Nachwort (S. 449ff.) von Felicitas von Lovenberg hat die Neu-Ausgabe im Anhang erhalten, bekannte Kritikerin und Feuilletonistin, ihres Zeichens immerhin Ressortleiterin „Literatur …“ der FAZ. 30 Millionen Käufer hat diese Geschichte gefunden, die zu US-Schul-Lektüre gehört – und dennoch noch nach Akzeptanz sucht, ein zeitgenössischer Klassiker zu werden (vor 2009 fehlten Autorin und Roman noch im Kindler!). Sie stellt Bezüge zwischen Roman und Leben der Autorin her und verweist auf autobiografische Züge. Zugleich stellt sie klar, eine manchmal unterstellte Beteiligung von Jugendfreund Truman Capote sei eher auszuschließen, wenn der auch dem Verkaufserfolg beim Erscheinen durchaus Schub verliehen haben möge, indem er dem Roman eine besondere Empfehlung auf den Weg mit gab. Es folgt zudem eine „Nachbemerkung des Bearbeiters“ Nikolaus Stingl der deutschen Übersetzung (S. 457ff.), nach wie vor Claire Malignon, seinerzeit für die 1962 erschienene deutsche Erstausgabe. Auch dies ist lesenswert, verweist es doch auf durchaus nennenswerte Entwicklungen deutscher Rezeption im vergangenen halben Jahrhundert … HPR

Hanspeter Reiter