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Zauberberg 2

Autor Heinz Strunk
Verlag Rowohlt
ISBN 978-3-498-00711-9

„Todtraurig. Todkomisch. Heinz Strunks Hommage an Thomas Manns „Zauberberg““ will eine moderne Perspektive bieten, mit an die 300 Seiten. Und das ist schon mal ein erheblicher Unterschied: Das Original von Thomas Mann hat der Leserschaft annähernd 1.000 Seiten abgefordert…Und ist übrigens just vor 100 Jahren erschienen, was als Jubiläum zu diversen Rezensionen geführt hat.

Ab in die Therapie
…ist jedenfalls auch hier die Botschaft und der Kern. Denn nun hadert die moderne Castorp-Version mit dem Leben, „Jonas Heidbrink, ein Erfolgsmensch. Schon vor dem dreißigsten hat er sein Start-up versilbert; arbeiten muss er sein Leben lang nicht mehr. Aber es geht Heidbrink nicht gut, überhaupt nicht. Und so fährt er eines kalten Januartages los Richtung Osten, in die mecklenburgische Einöde, wo inmitten von Sümpfen ein schlossartiger Bau emporragt: das Sanatorium. Alles ausgesprochen nobel, aber eben doch: Klinik, für Menschen mit dem einen oder anderen Knacks. Schnell ist Heidbrink in das Korsett von Visiten und Anwendungen eingepackt, muss er sich entscheiden, ob er im Speisesaal seiner Misanthropie folgen oder Anschluss finden will. Die Menschen hier, Ärzte, Schwestern, Patienten, sind ihm fremd, doch bald sind sie seine Welt. Nur scheint die Klinik wirtschaftlich nicht rundzulaufen. Ein Nebengebäude wird geschlossen, das Personal reduziert sich, man munkelt, in der Küche werde nur noch Convenience Food in der Mikrowelle aufgewärmt. Und so reiht sich ein Monat an den anderen – bis es in den Sümpfen zu einem rätselhaften Unglücksfall kommt.“ Nun, wenn Heidbrink sich auch zum Weiterbleiben animieren lässt  …

Reichhaltige Sprache
All das erlebt die Leserschaft quasi hautnah, im Sinne von multisensual, hervor gerufen durch die höchst bildreiche, metaphernstarke Sprache – siehe gleich anfangs (S. 28): „…ist so mager, dass sie wie ihr eigenes Röntgenbild aussieht…“ (usw.)! Oder auch das Beschreiben der Massage, die sich bestens miterleben lässt (S. 166ff.). Dass es bei sozialen Treffen u.a. ums Kartenspielen geht – wenig überraschend, das Erwähnen von Skat hat mich aufmerken lassen  … (S. 96). Geschichten werden erzählt, teils höchst eindrücklich, siehe das Verschwinden eines Ehemanns in der Besucherritze (S. 113ff.) – hat mich ein wenig an Kafka erinnert… Wie sich frei von Zusammenhängen „kommunizieren“ lässt, beweist der Mit-Patient Zeissner freimütig regelmäßig, z.B. S. 230.

Allseits Krieg oder was?
Thomas Mann hatte seine Erlebnisse beim Besuch seiner erkrankten Frau in Davos letztlich mehrfach überarbeitet, vom frisch ausgebrochenen großen Krieg beeinflusst – und die Handlung entsprechend mit Kriegsausbruch gipfeln lassen, beendet 1924, ein Jubiläum also kürzlich. Auch Heinz Strunk kommt kaum umhin, das Thema aufzugreifen „Krieg“ übrigens auch intern im Sanatorium, jedenfalls Kontroversen zwischen Patienten (resp. Heidbrink mit…) gefühlt wie auch ausgesprochen, doch auch Solidarität gegen den gemeinsamen Feind (Ärzte…) – was mich wiederum entfernt woran erinnert hat? Richtig – „Einer flog über das Kuckucksnest“… Ergo vielerlei Bezüge, die sich für eine reflektierte Leserschaft aus dieser Lektüre ergibt! Nachdenklich machend, oh ja… HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de

Hanspeter Reiter