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Zonen der Zeit

Autor Michaela Maria Müller
Verlag Quintus
ISBN 978-3-96982-096-4

„…Gegenwart und Historie…zu einem Goblin verknüpft“ (Jan Kuhlbrodt), einer Art Zeitgeist-Roman, schmal mit annähernd 150 Seiten.

Wendepunkte verarbeiten
…ist das zentrale Thema dieses modernen Romans: Wende-Zeiten (DDR) und –Ereignisse (Trennung) – bis hin zu bewusst herbei geführter Veränderung (Ort & Job). Das ist die Geschichte zweier Menschen, auf der Punkt gebracht: „Jan Schneider ist Historiker und Archivar. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in einem Dorf am Stadtrand. Jan hat etwas vor sich, von dem niemand etwas weiß: Er muss die Akten des Auswärtigen Amtes des Jahres 1991 bearbeiten – das Jahr, das sein Leben als Zehnjähriger von Grund auf verändert hat. Er kann plötzlich nicht mehr auf Geschichte blicken, ohne seine eigene darin zu sehen.“ Was sein konsequentes Arbeiten daran verändert, ja: behindert (S. 46f. usw.). „Dann trifft der zögerliche Jan auf Enni van der Bilt, Notrufdisponentin einer Feuerwehr-Leitstelle. Enni ist das Gegenteil von Jan: Sie packt an, will Dinge verändern. Sein Zögern ist ihr fremd. Doch vom ersten Moment an haben die beiden eine Verbindung, ohne dass sie zunächst sagen können, worin diese besteht …“. Was offen bleibt bis zuletzt, wenn auch mit Annäherungen – und mit Konsequenzen für beide: Jan und seine Frau trennen sich endlich, Gleiches vollführt Enni mit ihrem Job (S. 64f. usw.), primär aufgrund erlebter sexueller Belästigung, mit der sie selbst zurecht kommen muss: Wohin wird das führen?

Perspektiven-Wechsel
Leser wird mitgenommen in die jeweilige Gedankenwelt, jene von Jan meist ausführlicher als die von Enni, häufig zwei Perspektiven identischer (gemeinsam erlebter) Situation bietend, als Selbst-Reflexion. Die wiederum eine weitere von Leserseite provozieren kann: Wie würde denn ICH mit dieser Situation umgehen, was daraus machen? Rückblicke fokussieren Geschehnisse von vor drei Jahrzehnten, privaten wie gesellschaftlichen, lassen gar Erinnerungen aufleben. Und mehr als das, bis hin zur letzten europäischen Eiszeit (S. 31f.)… Letztlich geht es (auch) ums Erleben von Zeit, das Funktionieren wie ein Uhrwerk (oder eben doch nicht mehr, S. 104ff. etc.), wofür die Weltzeituhr in Berlin als konkretisiertes Symbol herhalten darf. Viel gelernt habe ich übrigens darüber, wie eine Leitstelle der Feuerwerk funktioniert – und was Calltalker dabei zu tun haben (S. 120f. etc. pp.): Hat mich auch deshalb interessiert, weil ich mein Berufsleben hindurch den Fokus auf Telefon-Marketing hatte (und habe)  … Mal ein völlig anderes Lektüre-Erlebnis als die von mir (ich gestehe!) bevorzugten Krimis … HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de

Hanspeter Reiter